Sommersemester 2017 - Vorlesung

 

Nach dem Tod des Königs: Die französische Literatur von der Restauration bis zum II. Kaiserreich                            

 

Mit der Hinrichtung Ludwigs XVI. im Januar 1793 und der sich daran anschließenden Terreur, der ein Gutteil des Adels zum Opfer fällt, ist die blutige Demarkationslinie der Moderne gezogen; denn in der Revolution vollzieht sich zugleich ein epistemologischer Bruch, den auch die diversen Restaurationsbewegungen – Empire, Restauration, II. Kaiserreich – nicht mehr werden aufheben können: Treten nun an die Stelle einer in Gott gefügten Ordnung mit dem Vitalismus und den neuen Geschichts-, Gesellschafts- und Lebenswissenschaften Diskurse, die Welt vor allem als veränderlich begreifen, so kommt in dem aufgrund der Industrialisierung einsetzenden Finanzkapitalismus der individuellen Performanz eine Bedeutung zu, wie sie bislang undenkbar war. Die Literatur der Moderne wird sich in diesem Spannungsfeld zu konstituieren und zu verteidigen haben. Sie beginnt in der Romantik mit gleichsam ,souveränen‘ Entwürfen von Autorschaft, muß sich jedoch alsbald als ein Produkt unter anderen auf dem dynamisierten Unterhaltungsmarkt behaupten. Von Hugos krepuskularer Tiefenschau zu Baudelaire, dem „Dichter im Zeitalter des Hochkapitalismus“, von Stendhals Selbstbespiegelungskabinetten zu Balzacs frenetischen Maskeraden, von der ,unheimlich‘-romantischen Phantastik zur kühlen Feier der Dingwelt auf dem Parnaß  – das werden einige Stationen des Parcours sein, den wir in dieser Vorlesung durch die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts unternehmen wollen.

Di 14 - 16 Uhr, P 2

 

 

Sommersemester 2017 - Hauptseminar Französisch

 

Alain Robbe-Grillet                            

 

Gattungsbestimmungen haben ihre Tücken und vor allem auch ihre Zeit. Alain Robbe-Grillet ist Mitbegründer und Theoretiker des sog. Nouveau Roman, und das rückt erst einmal eine antimimentische und antipsychologische Poetik in den Vordergrund, die das traditionelle Subjekt der Literatur verabschiedet. Man hat sich seinerzeit – es waren die Hochzeiten des Strukturalismus – dafür begeistert, daß die sämtlich sehr kurzen Romane gleichermaßen ausufernde, wie minutiöse Beschreibungen aufweisen, die angeblich niemandem zuzuordnen seien und damit die écriture in ihrer Reinform sichtbar werden ließen. Doch aus dem zeitlichen Abstand sehen die Dinge anders aus. Brian McHale hat zu Anfang der 1990er Jahre Robbe-Grillet zu Recht als einen Vorreiter postmoderner Formsprache – etwa hinsichtlich der Metalepse oder die Möbiusschleife – gefeiert, und wer etwa sein frühes Meisterwerk La Jalousie (1957) mit Aufmerksamkeit liest, wird feststellen, daß dort die Psychologie vom ersten Satz an auf ein nicht benanntes Betrachtersubjekt verlegt und der im Kolonialkontext angesiedelte Roman sowie alle seine vermeintlich objektiven Beschreibungen in der Tat Ausdruck eines tiefgreifenden kolonialen Unbehagens ist. Robbe-Grillet ist aber immer auch ein Spieler, der den Leser an der Nase herumführt –  und das schon von seinem zweiten Roman Les Gommes (1953) an, wo der titelgebende Radiergummi den Ödipusmythos die den Text durchziehende devinette ,ausradiertʻ und zugleich bestätigt. La Maison de Rendez-vous (1965), im geheimnisvollen Hong Kong der 1960er Jahre angesiedelt, liest sich wiederum als eine witzige James Bond-Parodie, die nur so von ethnischen Stereotypen strotzt und deren zirkulärer Logik man nicht entkommt. Wir wollen in diesem Seminar die drei genannten Romane näher in Augenschein nehmen und auch Alain Resnaisʼ kongeniale Verfilmung des ciné-roman Lʼannée dernière à Marienbad (1961) mitberücksichtigen.

Mi 12 - 14 Uhr, Raum P105

 

 

Sommersemester 2017 - Hauptseminar Kulturwissenschaften Französisch / Spanisch

 

Kulturanthropologie des Sündenbockes                         

 

Dem französischen Kulturanthropologen René Girard zufolge ist der Mensch ein mimetisches Wesen, das nicht eigenständig zu begehren vermag, sondern stets das haben will, was ein prestigiöser Anderer besetzt. „Le désir de lʼhomme cʼest le désir de lʼautre“. Das geht solange gut, wie es sich dabei um käufliche Güter handelt. Bei Ehefrauen wird es schon schwieriger, wie wir aus dem Don Juan-Stoff wissen. Was aber geschieht, wenn sich zwei um das gleiche Objekt des Begehrens streiten? Die Antwort ist für zarte Seelen schwer erträglich: Es wird nämlich zumeist geopfert. Beispiele hierfür wären das spanische Ehrendrama oder der Ehebruchroman. Die Sündenbockproblematik geht dabei allerdings zumeist über das rein Intersubjektive hinaus, steht doch fast immer das gesellschaftliche Gefüge als Ganzes auf dem Spiel. Der Sündenbock ist daher auch ein ambivalentes Heilmittel, denn sobald man seine vermittelte Stellung durchschaut, funktioniert das Opferritual nicht mehr. Eben dies sei Girard zufolge der geheime Sinn der Evangelien: Nach der Kreuzigung Jesu ist der Sündenbockzusammenhang durchschaut und daher wirkungslos. Nun haben allerdings die Sündenbockrituale in den letzten 2000 Jahren nicht unbedingt abgenommen. Wir können sie im kleinen und im Großen im Alltag beobachten. Wo ein Konflikt nicht gelöst werden kann, wird er zumeist auf einer Einzelperson ausgetragen, auf der sich dann der ganze Hass bündeln kann. Dazu müssen alle an seine Schuld glauben. Umso enttäuschender ist es dann, wenn sich seine tatsächliche Unschuld herausstellt, denn damit wird das gewaltsame Gründungsmoment von Gesellschaft offensichtlich.
            Wir wollen in unserem Seminar der Logik des Sündenbockmechanismus anhand von Literatur, Film und Medienberichterstattung nachgehen und dabei eine diachrone Perspektive verfolgen. Kenntnis der Theorie Girards ist Voraussetzung. Hier auszugsweise Mensonge romantique, vérité romanesque (1961), La Violence et le sacré (1972) sowie Des Choses cachées depuis la fondation du monde (1978). Alle drei Texte sind in deutscher Übersetzung verfügbar.

Mi 18-20 Uhr, P106

 

 

Sommersemester 2017 - Hauptseminar Spanisch

 

Garcilaso de la Vega

 

Lyrik gilt ihren Liebhabern gern als ein in sich geschlossenes System, das sich aus Intertextualität und Überbietungsgesten bestimmt. Harold Bloom hat dies mit Blick auf die Romantik als anxiety of influence bezeichnet. Letztere läßt sich nun sicherlich auch in der europäischen Renaissance finden, die ihr Zentrum in Petrarca hat und daher weitgehend Liebeslyrik im Modus der Unerreichbarkeit ist. Doch auch hier ist einige Vorsicht angebracht, denn der Status von Literatur ist in der Frühen Neuzeit ein anderer als in der Romantik und ihren Ausläufern. Garcilaso de la Vega, mit dem wir uns in diesem Seminar beschäftigen wollen, entstammt einer einflußreichen Toledaner Aristokratenfamilie. Sein Bruder hat im Aufstand der Comuneros gegen den Kaiser gekämpft und er selbst steht im Dienste dieses Kaisers, der nicht wenigen in Spanien als Fremdherrscher gilt. Zugleich ist Garcilaso einer der ersten, der sich konsequent die Formsprache der Italiener aneignet und auf dieser Basis zum ersten gesamtspanischen Nationaldichter aufsteigt. Das macht nun auch den besonderen Reiz von Garcilaso aus: Er unterwirft sich seinem Kaiser ebenso wie Petrarca, zugleich entwickelt er aber Strategien, vermittels deren er beide Interpellationen unterlaufen kann und ein eigenständiges Werk zu schaffen vermag.  

Do 12 - 14 Uhr, P 101

 

 

Sommersemester 2017 - M.A./ Graduiertenkolloquium

 

Vorstellung von Masterarbeiten und Dissertationen


1-std., verblockt, drei je fünfstündige Sitzungen. Beginn am 1. Samstag im Sommersemester (weitere Terminabsprachen erfolgen dort.), P 107

 


 

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