Interethnische Beziehungen der Dyan und Pwo in Ouan (Michaela Oberhofer)
In Ouan lebt neben einer Bevölkerungsmehrheit von Dyan eine Minderheit von Pwo. Außenstehenden wird der Eindruck vermittelt, Ouan sei ein ethnisch heterogenes Dorf, in dem Dyan und Pwo in friedlicher Eintracht miteinander leben. In vielen Gesprächen werden die Gemeinsamkeiten und die Solidarität der beiden Gruppen betont und herausgestellt, daß man gemeinsam den Markt besuche, die Sprache der anderen spreche, Gemeinschaftsarbeiten sowie Opferungen zusammen durchführe und gegenseitig an den Beerdigungen teilnehme. Bei genauerem Hinsehen verändert und differenziert sich jedoch das Bild des Zusammenlebens der beiden Gruppen. Bei einer ersten Dorfbegehung fällt sofort die räumliche Trennung der Dyan- und des Pwo-Viertels auf. Die beiden ersten Pwo-Familien ließen sich Anfang der 1920er Jahre jenseits eines in Süd-Nord-verlaufenden Wasserlaufs etwa einen Kilometer von den Dyan entfernt nieder. Die Pwo nennen ihr Viertel selbst Navrikpe, ein Dagara-Wort mit der Bedeutung "wir werden uns trotzdem niederlassen". Der Name soll den anfänglichen Widerwillen der Dyan gegenüber der Ankunft der Pwo ausdrücken und verweist darauf, daß erst der Druck des Kantonschef von Dolo den Pwo zur Ansiedlung in Ouan verhalf. Der alle fünf Tage stattfindende Markt von Ouan wird von Dyan, Pwo, Fulbe und benachbarten Lobi frequentiert. Der Marktplatz befindet sich im Zentrum der Dyan-Viertel. Auch andere soziale Kontakte zwischen Dyan und Pwo - Freundschaften, gemeinsames Hirsebiertrinken, gegenseitige Besuche - finden nie auf der Pwo-Seite des Dorfes statt. Als Grund dafür wird von den Dyan die Angst vor den übernatürlichen Fähigkeiten und den magischen Praktiken ihrer Nachbarn genannt. Die Verortung der Interaktion im Dyan-Viertel unterstreicht die räumliche Trennung der beiden Gruppen und verweist auf die Dominanz einer Bevölkerungsmehrheit gegenüber einer Minderheit. Diese Dominanz findet auch in der Kommunikation ihren Ausdruck: Trotz der Beteuerungen von Zweisprachigkeit ist Dyan Verkehrssprache, und entgegen aller normativen Beteuerungen beherrschen die Dyan die Sprache der Pwo nur ungenügend. Für das Bodenrecht ist die Tatsache von Bedeutung, daß in Ouan und Umgebung (noch) keine Landknappheit vorherrscht. Die Pwo werden von den Dyan-Erstsiedlern als "Fremde" angesehen, die nicht über Boden verfügen können und für die Feldbestellung die Erlaubnis der Dyan einholen müssen. Bei ihrer Ankunft erhielten die Pwo vom Dyan-Erdherren in Ouan einen eigenen Erdschrein - möglicherweise eine Strategie der Dyan, sich von den Neuankömmlingen abzusondern. Die notwendigen Opfer z.B. am Ende der Ernte werden im Beisein des Dyan-Erdherren im Pwo-Viertel durchgeführt. Trotzdem wenden sich die Pwo in schweren Fällen wie Suizid weder an den Erdherren von Ouan noch an den übergeordneten Dyan-Erdherren in Dolo, sondern an Pwo in Zanaoua. Im Falle der Pwo in Ouan scheint also eine Kohabitation eher eine Abgrenzung als eine Assimilation der ethnischen Gruppen nach sich zu ziehen. Interethnische Ehen zwischen Pwo und Dyan existieren und existierten in Ouan nicht. Dafür werden verschiedene soziale und wirtschaftliche Gründe angeführt, insbesondere die Abwesenheit eines (äquivalenten) Brautpreises bei den Dyan und die unterschiedlichen Wirtschaftsweisen. In den großen, geschlossenen Pwo-Gehöften hat nur der Älteste Zugriff auf die Familienspeicher; einer Dyan-Frau steht dagegen ein eigener Speicher zu, der von ihrem Mann mit Hirse gefüllt werden muß und über den nur sie verfügt. Im Falle einer Heirat mit einem Pwo-Mann würde sie ihren relativ unabhängigen und freien wirtschaftlichen Status verlieren. Für die letzten Jahre wurde von einer Annäherung der beiden Gruppen berichtet. Die Wahrnehmung des Anderen als fremd und potentiell gefährlich scheint sich im Laufe der Zeit gewandelt zu haben. Einzelne Dyan besitzen seit neuestem Schutzschreine der Pwo oder lassen sich magische Objekte wie Oberarmreife beim Pwo-Schmied herstellen. Der Initiationskult Dyoro verbindet Lobi, Dyan und Pwo. Letztere sind die Herren über diesen Lobi-Kult. Die Pwo entleihen sich im Falle eines Todesfalles in ihren Familien das Xylophon der Dyan, um auf Art und Weise der Dyan darauf zu spielen. Trotz solcher Assimilation und Integration in bestimmten Bereichen besteht in Ouan aber die räumliche und soziale Trennung zwischen Dyan und Pwo fort. Zusammenfassend lassen sich folgende Charakteristika der interethnischen Beziehungen anführen: 1) Der Zeitpunkt sowie die Art und Weise der Ansiedlung der Pwo in der Kolonialzeit prägt die Beziehungen der beiden Gruppen und führte zu einer Verfestigung der ethnischer Grenzen. 2) Die interethnischen Beziehungen werden durch das Verhältnis Erstsiedler - Nachkommende bestimmt und die Pwo wie "Fremde" behandelt. 3) Die demographische Überzahl der Dyan bewirkt neben einer vordergründigen Assimilation die Abgrenzung der Pwo (z.B. durch ethnische Endogamie) gegenüber der zahlenmäßig stärkeren Gruppe. 4) Unterschiede in sozialen, wirtschaftlichen und verwandtschaftlichen Bereichen bedingen das Fehlen einer weiterreichenden Interaktion von Pwo und Dyan. |
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