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Vanessa Petzold
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"Un pays plus beau qu'avant" - "Ein Land schöner als zuvor"

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Eintrag vom 27. Mai 2010
Vanessa Petzold

 

"Un pays plus beau qu’avant" ("Ein Land schöner als zuvor") - dieses Motto prangt auf dem Rücken der T-Shirts und auf dem Titel des umfangreichen Programmhefts zum Cinquantenaire, dem 50. Jahrestag der Unabhängigkeit der DR Kongo. Der Geschichtsprofessor Ndaywel è Nziem, der Koordinator des "Comité scientifique", einem wichtigen Teil des Vorbereitungskommittees der Feiern, hat dieses Motto vorgeschlagen. "Die Zukunft ist mein wirkliches Fach", sagte er in einer Fernsehsendung, und dieser Optimismus prägt auch die Parolen auf den Plakaten in der Stadt und in den Fernsehspots der regierungsnahen Sender.

'Das Versprechen einer strahlenden Zukunft' - und das Cinquantenaire-Logo, ein ca. 8 Meter breites Plakat am Boulevard du 30 Juin, Kinshasa (Foto: Vanessa Petzold)Gleich am ersten Tag (3. Mai) meines Praktikums beim Comité Scientifique nahm ich an der fünften "Grande Conférence" teil. Sie hatte das Thema "Wirtschaft: Mobilisierung und Management von Ressourcen". Hier sprachen Leute, die zum Teil bereits unter Präsident Mobutu wichtige Posten hatten. Sie waren eingeladen, um als Experten über Wirtschaft, Korruption, das Fehlverhalten von Politikern und erforderliche Reformen zu sprechen, vor 500 ausgewählten Gästen aus Politik und Wirtschaft. Im besagten offiziellen Programmheft findet man die Veranstaltung unter "Education à la citoyenneté" , also unter dem Titel "Bildung der Bürgerschaft". In diesen Tagen beobachte ich nun die Vorbereitungen zur sechsten "Grande Conférence" im Juni. Ich wundere mich dabei über die Umständlichkeit, mit der vieles im Comité Scientifique von statten geht. Zum Beispiel ist immer noch unklar, wer die 500 Einladungen für die sechste Konferenz verteilen soll, denn ein funktionierendes Postsystem gibt es hier nicht.

Außerdem bekomme ich die Vorbereitungen zur Buchmesse und zu historischen Ausstellungen mit. Der zuständige Geschichtsprofessor Sabakinu telefoniert ununterbrochen historischen Dokumenten hinterher, etwa den Originaldokumenten Primus-Logo, Kinshasa (Foto: V. Petzold)von der Berliner Konferenz 1884. Der Bau der Ausstellungspavillons, die das alte Messegelände von Kinshasa zu neuem Leben erwecken sollen, ist aufgrund finanzieller Probleme im Verzug. Mit Geldproblemen kämpft das "Commissariat Général du Cinquantenaire" (CGC) an allen Ecken und Enden. 2 Mio. US $ sind nicht nur deutlich weniger als ursprünglich zugesagt, sondern auch schlicht zu wenig für so eine große Angelegenheit. Auch Unternehmen leisten finanzielle Unterstützung. Vor allem Primus, eine große kongolesische Biermarke, die schon vor der Unabhängigkeit existierte, ist stolz darauf, ein weiteres "wichtiges Ereignis der kongolesischen Geschichte zu begleiten". Das sagte mir zumindest ein Verantwortlicher der Brauerei in einem Interview. Das Primus-Cinquantenaire-Logo ist bereits auf Plakaten überall in der Stadt und auf den Etiketten jeder Flasche zu finden.

Anlässlich des Jubiläums gibt es auch mehrere neue Denkmäler. Gerade hat die Stadt Kinshasa binnen zwei Tagen entschieden, 90.000 US $ zusätzlich zu bezahlen, um das in Korea hergestellte Denkmal für den ersten Präsidenten Joseph Kasa-Vubu einzufliegen. Die Alternative wäre gewesen, es auf dem Seeweg zu befördern. Dann wäre es allerdings zu spät angekommen, um wie geplant am selben Tag mit dem neuen Denkmal für König Baudouin (letztes Staatsoberhaupt des Belgisch-Kongo) eingeweiht zu werden. Nun ist das Problem gelöst, die Symbolik bleibt erhalten. Außerdem wird es ein Monument geben, das an das Leid während der kongolesischen Kolonialzeit erinnern soll. Das Modell dafür wurde in einem Wettbewerb, an dem nur kongolesische Künstler teilnehmen durften, ausgewählt.

Außerhalb des CGC höre ich hier in Kinshasa, wo das Leben wirklich nicht einfach ist, viel Kritik. In den Nachrichten wurde, gerade während ich dies schreib (25.5.2010), bekannt, dass eine Demonstration geplant ist. Staatsangestellte fordern, dass sie erst ihre Löhne der letzten sechs Monate ausgezahlt bekommen, bevor weiterhin Geld für das Cinquantenaire ausgegeben wird. Eine Zeitung titelte bereits "Cinquantenaire - vers un échec évident" - "das cinquantenaire - einem offensichtlichen Scheitern entgegen".

Die Einladung des belgischen Königs zur Unabhängigkeitsfeier war und ist umstritten. Bisher habe ich noch mit niemandem gesprochen, der die Anwesenheit des Königs bei den Feierlichkeiten begrüßen würde. Selbst Mitarbeiter des Comité Scientifique haben starke Bedenken. Nur Professor Ndaywel è Nziem sagte mir, das CGC verstehe die Diskussion um die Einladung des Königs überhaupt nicht. Er sei schließlich nur einer von ca. vierzig eingeladenen Staatschefs. Ihn nicht einzuladen hätte den Eindruck erweckt, es bestünden immer noch Ressentiments zwischen Belgien und der DR Kongo. Dabei seien die Beziehungen rein freundschaftlich und sehr gut. Das wäre alles, so Ndaywel. Ein Journalist, den ich befragt habe, weil er gerade zwei Jahre lang im ganzen Land Material für eine Dokumentation gesammelt hat, sagte mir, im Großen und Ganzen seien die Leute "content" (froh, zufrieden) darüber, dass der König kommt. Allerdings arbeitet dieser Journalist auch für den regierungsnahen Fernsehsender RTNC und fungiert außerdem als Medienberater für das CGC. Medien informieren hier offenbar so, wie sie bezahlt werden.

In vielerlei Hinsicht bleibt das bevorstehende besondere historische Ereignis in dieser ebenso besonderen Stadt sehr spannend - ich werde weiter berichten, was sich ereignet.

 

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 25.08.2010
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