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Vanessa Petzold
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Panzer auf neuen Straßen - Der Tag der Unabhängigkeit ist da

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Eintrag vom 3. Juli 2010
Vanessa Petzold

 

Die letzten Tage in der Demokratischen Republik Kongo waren nervenaufreibend für mich, stand doch der große Jahrestag der Unabhängigkeit unmittelbar bevor. Selbst im Commissariat Général du Cinquantenaire, dem Hauptorganisationsbüro für die Festlichkeiten, konnte mir noch einen Tag vor der Zeremonie am 30. Juni niemand sagen, zu welcher Veranstaltung ich denn willkommen sei. Ich sah mich schon frustriert vor dem Fernseher sitzen – denn mir wurde aus Sicherheitsgründen dringend davon abgeraten, das Jubiläum mit der großen Masse der Bevölkerung auf der Straße zu zelebrieren.

     

Schon die feierliche Enthüllung des neuen Denkmals für Joseph Kasa-Vubu konnte ich nur im TV mitverfolgen. Die Präsentation der Statue zu Ehren des ersten Präsidenten des unabhängigen Kongo wurde einfach um 7 Stunden vorverlegt - und niemand sagte mir Bescheid. Auch die übrige Veranstaltung lief nicht nach Plan: Statt gemeinsam mit dem belgischen König Albert II. die Enthüllung der Statue zu begehen, erledigte Präsident Kabila das kurzerhand allein. Ohne weitere Erklärungen ist auch Kabilas Name Teil der Inschrift auf dem Monument, der Name von Kasa-Vubu hingegen fehlt! Und schließlich sind sogar die Daten auf der Inschrift nicht ganz richtig.

Leichte Frustration machte sich in mir breit, schließlich bin ich extra wegen des Jubiläums Foto: Vanessa Petzoldin den Kongo geflogen – und wie zum Dank für meine Geduldsübungen wurde mir ein Tag vor dem großen Ereignis kurz vor Mitternacht eine Einladung zur Parade auf dem Hauptboulevard von Kinshasa sowie zum nachfolgenden Essen in einem schicken Hotel überreicht. Bei der Parade durfte ich sogar in der Nähe der Haupttribüne sitzen, wo neben Präsident Kabila der belgische König Albert II. sowie diverse andere Staatschefs und Offizielle platziert waren. Allerdings waren zuvor intensive Sicherheitskontrollen zu passieren und ich fühlte mich wie auf dem Weg durch die Sicherheitschecks auf einem Flughafen. Die Tribünenplätze selbst waren luxuriös mit Sonnenschirmen samt Jubiläumslogo und Wasserflaschen ausgestattet. Letztere zierte allerdings das UN-Logo - sie gelten als unverkäufliche Hilfswaren. Ob sie bei der Parade am richtigen Platz waren, frage ich mich heute noch.

Die Parade begann mit fast 3 Stunden Verspätung, aber das überraschte eigentlich niemanden. Ich selbst war in schicker Bluse und Rock aus dem offiziellen Jubiläumsstoff durchaus angemessen gekleidet. Militär und Polizei zeigten sich in voller Größe und selbst Flugzeuge flogen Schaumanöver über den Boulevard. Besonderen Applaus gab es für eine Gruppe Foto: Vanessa Petzoldmarschierender Frauen und für die Präsentation diverser kleiner Panzer. Letzteres rief bei mir allerdings eher Sorge um die nagelneue Straße hervor. Hinter dem Militär hat es dann doch tatsächlich eine offenbar eigentlich nicht von der offiziellen Planung vorgesehene, unorganisiert wirkende Gruppe aus der Bevölkerung geschafft, sich in die Parade einzureihen. Doch da die Gruppe der Parade und dem Regime wohlgesonnen schien und mit Schildern von Kabilas Partei PPRD samt Präsidentenbildern aufmarschierte, ließ man sie gewähren.

Dennoch war danach um den direkt gegenüber der Ehrentribüne liegenden Palais du Peuple herum eine gewisse Unruhe zu verspüren. Noch zwei Parteien, nämlich die PALU, die Organisation des Premierministers Udemo-Mobutu, sowie die UDEMO, eine Mobutu nahestehende Partei, durften sich im Zug präsentieren. Marschieren durften auch ausgewählte Unternehmen wie die chinesische Baufirma, die im Kongo sämtliche großen Projekte durchführt. Nach dem Vorbeimarsch einiger ausgewählter zivilgesellschaftlicher Organisationen und Kirchen war dann aber wirklich Schluss – die Parade wurde abgebrochen. Ob dafür nun die Zeitverzögerung durch die Verspätung und den langen Aufmarsch des Militärs Foto: Vanessa Petzoldverantwortlich war oder das allgemeine Durcheinander drumherum, konnte ich nicht herausfinden. Auf jeden Fall brach nun engültig ziemliches Chaos aus. Während die Baufahrzeuge, die eigentlich auch noch défilieren sollten, sich ihren Weg durch die Menge bahnten, rannten alle Menschen in den Bereich, der vorher nur mit Einladung zu betreten war. Sie begannen, erbittert um die Plastikstühle zu kämpfen. Die waren wohl tatsächlich zum Mitnehmen gedacht, sollten aber demokratisch verteilt werden. Die Polizei war keine große Hilfe – sie mischte stattdessen kräftig mit, wollte sie doch auch einen Anteil an den Stühlen haben. Neben den Plastikstühlen und Wasserflaschen war auch die Stoffverkleidung des Journalisten-Podests sehr begehrt.

Ich war heilfroh, in Begleitung eines Commissariatskollegen zu sein. Der besaß nämlich einen Laissez-Passez und mit dieser Legitimation konnten wir auf die Tribüne flüchten. Die Ehrengäste waren dort längst nicht mehr zu sehen, aber zumindest wurden wir nicht mit Knüppeln vertrieben wie die Kinder und Erwachsenen, die sich die liegengebliebenen Wasserflaschen sichern wollten.

Überwältigt von diesen vielen Eindrücken war ich froh, dass die eigentlich noch geplante Vorstellung von für die Unabhängigkeit bedeutsamen historischen Persönlichkeiten auf den nächsten Tag verschoben wurde. Das Essen im Anschluss an den Aufmarsch war für mich nicht wirklich interessant – alle wichtigen Gäste hatten wohl bessere Plätze gefunden, den Tag der Unabhängigkeit gebührend zu feiern. Auf jeden Fall bin ich wohlbehalten zurückgekehrt und bin sehr Foto: privatfroh, den Aufmarsch selbst erlebt zu haben. Mit allen Sinnen ...

Am Folgetag, am 1. Juli, wurden dann in einer feierlichen Zeremonie 3 Minister der Regierung Lumumbas sowie posthum Simon Kimbangu und Joseph Malula zu Pionieren der Unabhängigkeit erklärt. Von Kabila höchstpersönlich erhielten sie ihre Medaillen. Zwar durfte ich die Zeremonie nicht direkt im Saal miterleben, dank eines Passierscheins konnte ich die Live-Übertragung des Geschehens aber immerhin im Garten des Präsidentenpalasts verfolgen. Gleich im Anschluss an die historische Ehrung enthüllte der Chef der kongolesischen Zentralbank dann noch einen neuen Geldschein. Anlässlich des Cinquantenaire gibt es jetzt also auch noch grüne 500 Franc Congolais-Scheine mit Logo, bisher waren die Scheine nur in blau erhältlich. 900 Francs entsprechen einem US-Dollar, aber 500 Francs ist momentan die größte Banknote. "Gott segne den kongolesischen Franc", so klang es während der in französischer Sprache gehaltenen Rede im Palast des Präsidenten.

Für mich endeten die Unabhängigkeitsfeierlichkeiten mit Häppchen und Rotwein im Garten des Präsidenten - mit der frischen Erinnerung an den Vortag zwischen lauter Menschen, die sich um einen Plastikstuhl prügelten. Nun bin ich gespannt, wie sich das Motto der Feierlichkeiten - "Entschlossen der Zukunft zugewandt" - im Alltag wiederspiegeln wird.

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 25.08.2010
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