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Ein Tor für das Cinquantenaire

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Eintrag vom 31. Juli 2010
Elena Leyh und Aline Müller


Cinquantenaire-Stoffe, Foto: Elena Leyh und Aline MüllerKaum in Mali gelandet, fühlten wir uns vom Cinquantenaire, das offiziell erst am 22. September 2010 gefeiert wird, auch schon überrollt. Auf dem Markt, wo bereits erstaunlich viele Cinquantenaire-Stoffe in allen Formen und Farben getragen wurden und viele Plakate das große Ereignis verkündeten, lief uns Oumar über den Weg. Der professionelle Musiker mit eigener Tanzschule berichtete von einem Tanz zum Cinquantenaire ganz in der Nähe, der bereits um 10 Uhr begonnen hätte. Dass der Weg letztlich durch die ganze Stadt führte, bis hoch zum Modibo Keita Stadion, und uns ziemlich weit vorkam, war wohl der kulturell verschiedenen Distanz-Wahrnehmung geschuldet.

Das Stadion selbst lag verlassen da, bis auf ein paar Handwerker, die die Fassade ausbesserten und strichen, weil sich Präsident Amadou Toumani Touré für eine Tanzaufführung am Nachmittag angekündigt hatte. Der Tanz begann pünktlich um 16 Uhr, wenn auch nicht im Stadion, sondern auf der nebenliegenden Wiese. Aber der Präsident, so hieß es, komme erst um 19 Uhr. Wie uns einige der insgesamt rund 200 Tänzer erzählten, waren dies die ersten Tanzproben für das Cinquantenaire, das noch zwei Monate entfernt liegt.

Entsprechend waren die Tänzer ganz ungezwungen in verschiedenen Kleidungsstücken erschienen. Der Koordinator der Tanzprobe hingegen trug einen Cinquantenaire-Anzug. Einzelne Sicherheitsmänner in Uniform sowie ein paar Soldaten sorgten für eine bedrückende Atmosphäre, zumindest für uns Zuschauer, die wir uns nun selbst beobachtet fühlten. Die Uniformierten passten auf, dass niemand ein Foto machte. Währenddessen versuchten die Tänzer, ihre erlernten Schrittfolgen im Takt einer einzelnen Trommel zu halten. Immer wieder wurden einzelne Passagen wiederholt. Plötzlich Hektik, Aufregung und große Verwirrung – alle stürmen auf den angrenzenden Zaun zu. Dann drang es allmählich auch zu uns durch: Jemand hatte von außen ein Foto gemacht. Nun wurde die Probe erst unterbrochen, um der Verfolgung des Übeltäters willen, schließlich wurde sie ganz abgebrochen. Daraufhin gestand uns Oumar, dass der Präsident wohl auch erst morgen komme, da die Verschönerung des Stadions nicht rechtzeitig abgeschlossen werden konnte.

Am nächsten Tag erfuhren wir durch die Zeitung vom großen Endspiel des "Coupe du Mali", das in eben jenem Modibo Keita Stadion am Nachmittag stattfinden sollte. Die Zeitungen priesen es als das große Cinquantenaire-Spiel an, was uns dazu verleitete, ein weiteres Mal zum Stadion zu gehen. Die meisten Menschen, die auf das Stadium zustürmten, waren allerdings wohl nicht in erster Linie wegen der Cinquantenaire-Verbindung gekommen, sondern wegen des Fußballspiels. Sie waren entweder Fans der Centre Salif Keita (CSK), dem Favoriten der Meisterschaft, oder Fans von Außenseiter AS-Real, den "Scorpions".

Die Karten für das Spiel waren kostenfrei verteilt worden, so dass die Zuschauertribünen aus allen Nähten platzten. Wir hatten keine Tickets, konnten aber trotzdem die Eingangsschleuse passieren und fanden Plätze ganz oben auf der Tribüne, von wo aus wir einen guten Überblick über das Stadion hatten. Überall prangte die Werbung des Sponsors des Spektakels: der Handyanbieter Orange-Mali. Nicht nur die Plakate und die Anzüge der Helfer und Sanitäter verwiesen auf das Unternehmen, auch die Trikots beider Mannschaften zierte ein orangenes Quadrat. Zur Abwechslung zeigten vier weitere Plakate das Cinquantenaire-Zeichen.

Paraglider in den Nationalfarben Malis, Foto: Elena Leyh / Aline MüllerAm Spielfeldrand hatten sich bereits wichtige Staatsmänner in farbenprächtigen boubous versammelt, als Präsident Amadou Toumani Touré in schwarzer Hose, weißem Hemd und einer Schirmmütze aus seiner Limousine stieg. Nach obligatorischem Händeschütteln wurde die Nationalhymne eingespielt, allerdings ohne dass jemand mitsang. Wenig später senkten sich fünf Paraglider in Landesfarben auf das geräumte Spielfeld und präsentierten in einer nicht unfallfreien Landung die Fußbälle. Einer der Fallschirmspringer musste sogar im Krankenwagen abtransportiert werden. Das Endspiel um den 'Coupe du Mali' im Modibo Keita Stadion, Foto: Elena Leyh / Aline MüllerUngeachtet dessen stiegen orange, weiße und ein paar schwarze Luftballons in den Himmel, um den Beginn des Spiels zu markieren - und damit endete das Gemeinschaftsgefühl. Wir bekamen ein Spiel zu sehen, das unter vollem Körpereinsatz ausgetragen wurde, wie später die Zeitungen lobten. Dass keine gelbe oder gar rote Karte gezeigt wurde, mag an ein Wunder grenzen, da fast alle vier Minuten einer der Fußballer zu Boden ging. So waren nicht nur die Spieler, sondern auch die Sanitäter in Bewegung.

Das einzige Tor des Spiels fiel ungefähr in der 25. Minute – die Zeitungen schwanken zwischen der 23. und 26. Minute. Dieses Tor, geschossen von Ibrahim Kader Coulibaly, verhalf AS-Real eine Stunde später zu seinem ersten Sieg seit 19 Jahren. Viele Zuschauer blieben aber erst gar nicht so lange. Selbst die drei extra engagierten Stimmungsmacher-Gruppen, die mit Trommeln, Vuvuzelas und schwenkenden Fahnen Eindruck schinden sollten, konnten die Bedrückung der CSK-Fans nicht mehr auffangen. Die restlichen Zuschauer warteten nur noch, bis der Präsident den Pokal überreicht hatte - und als es schließlich noch einmal aus dem Lautsprecher schallte "Vive le Président, vive la République" - "Es lebe der Präsident, es lebe die Republik" waren die Plakate des Cinquantenaire bereits in aller Eile und ohne großes Aufsehen entfernt worden.

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 22.10.2010
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