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Von Präsidentschaftswahlen, Baustellen und Ramadan: Nur noch 100 Tage bis zur Unabhängigkeitsfeier

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Eintrag vom 3. September 2010
Svenja Haberecht

 

In Ouagadougou, der Hauptstadt des Landes, ist vom Cinquantenaire noch nicht viel zu spüren. Natürlich, wenn man die Printmedien aufmerksam durchforstet, findet man sowohl in den staatlichen als auch den zahlreichen privaten Zeitungen täglich mehrere Artikel zum Thema. Mal geht es um Infrastrukturmaßnahmen in Bobo-Dioulasso – wo das Cinquantenaire stattfinden wird –, mal findet man Ankündigungen zu den großen Konferenzen, die anlässlich des 50. Jubiläums reihum in den Regionalhauptstädten des Landes abgehalten werden. Auch kritische Artikel zum Cinquantenaire in Burkina Faso, Berichte über die Unabhängigkeitsfeiern in den Nachbarländern sowie allgemeine Beiträge zum Jahr der Unabhängigkeit des frankophonen Afrika sind zahlreich. Dennoch ist das wichtigste Thema, das in den Medien und von der Bevölkerung diskutiert wird, ein zentrales politisches Ereignis vor dem 11. Dezember: die Präsidentschaftswahlen am 21. November und die damit verbundene Forderung des amtierenden Präsidenten Blaise Compaoré, Artikel 37 der Verfassung abzuschaffen, der das Mandat des Präsidenten auf 5 Jahre begrenzt.

Cinquantenaire-Plakat in Ouaga (Foto: Svenja Haberecht)Die burkinische Regierung hat indes verordnet, jedes offizielle Produkt im Jahr 2010 mit dem Logo des Cinquantenaire zu versehen. So prangt das goldene Pferd auf der Titelseite der staatlichen Tageszeitung Sidwaya sowie im Bild des staatlichen Fernsehsenders rtb - radio télévision burkina faso. Das Logo ziert auch die Etiketten der Plastikflaschen des Mineralwassers der Marke Lafi. Im Stadtbild Ouagadougous nimmt das bisher einzige Plakat zum Cinquantenaire, das an einer Hauswand auf der Avenue Kwamé N'Krumah hängt, inmitten der vielen Werbebanner keine besondere Rolle ein. Zwischen den vitaminbeseelten Besuchern einer Judor-Party – Judor ist eine Getränkemarke – und dem stolzen 250. Jubiläum der irischen Brauerei Guinness kommt das goldene Jubiläum der burkinischen Unabhängigkeit noch eher unscheinbar daher.

Foto: Svenja Haberecht Foto: Svenja Haberecht Foto: Svenja Haberecht 

Das goldene Pferd, das auf die Sonne zugaloppiert, soll die unaufhaltsame Entwicklung des Landes in Richtung einer strahlenden Zukunft symbolisieren. Das Logo ist jedoch nicht unumstritten. Viele Burkinabè kritisieren die Wahl des "Etalon de Yennenga", des Hengstes von Yennenga, zum Symbol der nationalen Identität der Burkinabè, da sie sich davon nicht repräsentiert fühlen. Das Symbol des Hengstes verweist auf den Gründungsmythos der ethnischen Gruppe der Mossi, die im Zentrum des Landes zahlenmäßig am stärksten vertreten ist. Etwa die Hälfte der Einwohner Burkina Fasos sind Mossi. Es gibt jedoch noch mehr als sechzig weitere ethnische Gruppen, z.B. Tuareg, Peulh und Gourmantché, die im Westen und Osten des Landes einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen. Und in Bobo-Dioulasso stellen die Bobo die Bevölkerungsmehrheit.

Seit 3 Wochen bin ich nun in Bobo-Dioulasso, wo in diesem Jahr das Cinquantenaire gefeiert wird. Meine Erwartung, hier Zeugin von großen Planungen zu werden, wurde nicht enttäuscht. Die Regierung hat entschieden, die "Nationale Woche der Kultur", die Semaine Nationale de la Culture, die alle 2 Jahre im März stattfindet, dieses Jahr mit der Unabhängigkeitsfeier vom 27. November bis 4. Dezember zusammenzulegen. Der "kulturellen Hauptstadt" des Landes wird also gegen Ende des Jahres viel Aufmerksamkeit zuteil werden. Und die Organisatoren haben sich zum Ziel gesetzt, die Stadt bis dahin ordentlich zu verschönern. Die Folge: Das gesamte Stadtzentrum gleicht einer einzigen Baustelle. Überall werden Straßen aufgerissen, Wassergräben geschaufelt und pompöse Gebäude aus dem Boden gestampft.

Zudem sollen an verschiedenen Knotenpunkten der Stadt Denkmäler errichtet werden. So z.B. das gigantische Monument des 50-jährigen Bestehens der Unabhängigkeit, das Monument du Cinquantenaire de l'Indépendance, mit einem termitennest-förmigen Sockel und einer gewaltigen Wasserfontäne, umgeben von4 Hengsten in Weiß − der Farbe "des Friedens und der Reinheit der Seelen eines Volkes auf der Suche nach einem besseren Morgen". In Planung sind außerdem 3 weitere Denkmäler, ein großer Saal für Konferenzen, ein Kulturpalast (Palais de la Culture) sowie ein komplettes neues Stadtviertel, das den Namen "Bobo 2010" tragen soll. Hier haben wohlhabende Burkinabè und Nachbarn aus der Côte d'Ivoire zu günstigen Konditionen Grundstücke erworben − unter der Bedingung, die Häuser bis Ende November fertigzustellen und sie für Gäste des Cinquantenaire zur Verfügung zu stellen.

Baustelle des Monument du Cinquantenaire (Foto: Svenja Haberecht) Die Zukunft - Monument du Cinquantenaire (Foto: Svenja Haberecht) Baustelle des Palais de la Culture (Foto: Svenja Haberecht) Die Zukunft - Palais de la Culture (Foto: Svenja Haberecht)

Es scheint, als wolle man der gesamten Stadt anlässlich der Unabhängigkeitsfeier ein neues Gesicht verleihen. Die private Zeitung L'Observateur urteilt zu diesem Thema in Anlehnung an das Motto des Cinquantenaire: "50 ans de construction d'une nation: souvenir et espérance" - "50 Jahre Nationenbildung: Erinnerung und Hoffnung", die Bewohner Bobo-Dioulassos befänden sich eher "entre crainte et espoir" - "zwischen Furcht und Hoffnung". Tatsächlich erschweren die Bauarbeiten den Alltag in der Stadt immens. Jeder Taxifahrer, mit dem ich spreche, erklärt, dass wir die Strapazen, das kaum passierbare Stadtzentrum weit zu umfahren, "aufgrund des 11. Dezember" auf uns nehmen müssen.

Bauarbeiten in der Innenstadt von Bobo (Foto: Svenja Haberecht)            Bauarbeiten in der Innenstadt von Bobo (Foto: Svenja Haberecht)

Gestern schlängelte ich mich mit dem Motorrad durch die hohen Erdberge in den engen Straßen der Innenstadt, als ein Mopedfahrer direkt vor mir durch den unachtsam geschwungenen Spaten eines Bauarbeiters von oben bis unten mit Erde überschüttet wurde. Arbeiter und Passanten nerven sich gegenseitig, und die Regenzeit verlangsamt den Fortschritt der Bauarbeiten noch zusätzlich. Viele Bobolais bezweifeln, dass die umfangreichen Bauvorhaben rechtzeitig abgeschlossen werden. Profitieren können immerhin die Baufirmen und die vielen Arbeiter, die wenigstens vorübergehend ein einigermaßen gesichertes Einkommen haben. Beschwerlich wird es allerdings für all jene, die private Bauvorhaben geplant haben, weil das Reservoir an Arbeitskräften vorerst erschöpft ist.

Während sich die Bauleiter meist über meine Besuche auf den Baustellen erfreut zeigen, sind Journalisten äußerst unbeliebte Gäste, denn sie stellen unangenehme Fragen zum Fortschritt der Arbeiten. Für mich haben sich die Kontakte zur lokalen Presse hingegen als sehr fruchtbar erwiesen: Die regionalen Korrespondenten verschiedener Redaktionen haben mir angeboten, sie in den kommenden Wochen bei ihren Reportagen zum Cinquantenaire zu begleiten.

Es bleiben noch 100 Tage bis zum großen Fest. Ich bin gespannt, was die verschiedenen regionalen Komitees, die für die Organisation des Cinquantenaire gegründet wurden, in dieser Zeit noch auf die Beine stellen. Meinen bisherigen Erfahrungen nach besteht keinerlei Grund zur Sorge. Ein dänischer Gesprächspartner bestätigte meinen Eindruck: "Hier in Burkina kannst Du am Vormittag einer großen Veranstaltung an besagtem Platz ankommen und es ist noch nichts vorbereitet. Du denkst, du musst dich im Tag geirrt haben. Aber dann, zwei Stunden vor Beginn, geht plötzlich alles ganz schnell: Stühle, Tische, Essen und Musik, und im Nu sind alle da und die große Feier kann beginnen."

Die Mehrzahl der Bewohner Bobos sind Muslime und darum ist die nächste Feier, die ansteht, erst einmal viel wichtiger als das Cinquantenaire: In einer Woche wird nämlich das Ende des Ramadan, der Fastenzeit begangen. Eine gute Gelegenheit für mich, schon einmal teilnehmend zu beobachten, wie man hier in Bobo-Dioulasso feiert.

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 15.12.2010
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