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Flagge von Burkina Faso

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Univ.-Prof. Dr. Carola Lentz
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Das letzte Cinquantenaire im 'afrikanischen Jahr': Burkina Faso feiert sich selbst mit beeindruckender Zivil- und Militärparade

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Eintrag vom 13. Dezember 2010
Carola Lentz

 

Kein Abbruch der Zivilparade wie in Benin und der Demokratischen Republik Kongo, kein Stromausfall wie in Madagaskar und Benin, kein Bombenattentat wie Nigeria … - In Burkina Faso wurde der Höhepunkt der Cinquantenaire-Feiern am letzten Samstag auf dem Boulevard de la Révolution mit einer brillant organisierten, farbenfrohen Zivil- und Militärparade begangen, die gut und gern dreieinhalb Stunden dauerte. Einige der geladenen internationalen Staatschefs ließen sich beim diesjährigen letzten Akt des afrikanischen Feiermarathons von ihren Vizepräsidenten oder anderen rangniedrigeren Autoritäten vertreten, persönlich waren aber immerhin die Präsidenten von Mali, Benin, Senegal, Äquatorial-Guinea, Mauretanien, Togo, Liberia, Tschad, Gabun, Kongo-Brazzaville und Ruanda erschienen. Besonders herzlich beklatscht wurden übrigens der malische Präsident Amadou Toumani Touré und die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf. Insgesamt sechzehn afrikanische Staaten waren der Einladung nach Bobo-Dioulasso gefolgt und aus sieben von ihnen nahmen auch Truppenkontingente an der Militärparade teil.

Burkinas First Lady (r.) scherzt mit den Staatsgästen, davor vier der 50 Tauben aus Mali (Foto: Carola Lentz)Die französischen Infanteristen (Foto: Carola Lentz)

Während der Staatsgast aus Taiwan auf der Präsidententribüne saß, waren die europäischen Staaten lediglich durch ihre Botschafter vertreten. Aus Frankreich war der Minister für Kooperation in Vertretung von Präsident Sarkozy angereist. Das kleine französische Kontingent, das in der Militärparade defilierte, sollte nach Angaben der Presse-Hochglanzbroschüre aus 38 Mitgliedern bestehen; tatsächlich paradierten aber nur acht französische Infanteristen - eine etwas klägliche Truppe, die zudem noch hinter einem beeindruckenden und intensiv beklatschten 170 Mann-starken Kontingent des marokkanischen Militärs und hinter den meisten Abordnungen der afrikanischen Nachbarländer marschierte. Darüber, ob diese symbolische Herabstufung Frankreichs von beiden Seiten intendiert war, lässt sich trefflich spekulieren; Fakt ist, dass um die französische Präsenz kein großes Aufheben gemacht wurde, weder in den Erklärungen, die während der gesamten Parade aus Lautsprechern schallten, noch in der Ansprache an die Nation, die Präsident Blaise Compaoré am Vorabend im Fernsehen gehalten hatte. Die in der Zivilparade unter der Flagge des burkinischen Außenministeriums mitmarschierenden amerikanischen Peace Corps-Mitglieder erhielten jedenfalls mehr Beifall, ebenso wie eine Gruppe von Libanesen, die freundliches Gelächter ernteten, weil sie beim Marschieren immer wieder aus dem Tritt kamen.

Vertreter des amerikanischen Peace Corps (Foto: Carola Lentz)Tribüne für die burkinische Presse (Foto: Carola Lentz)

Schon lange vor acht Uhr morgens waren die Plätze auf den Tribünen für die diversen Ministeriumsangehörigen, sonstige Regierungsmitglieder und weitere geladene Gäste sowie die gegenüberliegende Pressetribüne für die burkinischen Medien gut besetzt. Rasch füllten sich dann auch die Tribünen für das diplomatische Corps, die nationalen und internationalen Militärdelegationen und die internationale Presse − deren Vertreter allerdings nicht gerade zahlreich waren, sodass die begehrten Plätze schließlich von burkinischen Journalisten eingenommen wurden. Knapp 3.000 Zuschauer insgesamt dürften sich auf den Tribünen rechts und links des Boulevards befunden haben. Den langen Boulevard säumten in Richtung Stadion und in Richtung Innenstadt Tausende von Schaulustigen, die allerdings nur in der ersten und zweiten Reihe noch etwas mitbekamen von dem Spektakel.

Historisches Tableau: Kolonialherr mit afrikanischen Soldaten (Foto: Carola Lentz)Der Mut der Reiter besiegt die Kolonialherren (Foto: Carola Lentz)

Die Sicherheitsvorkehrungen waren etwas strenger als die Tage zuvor, aber alle Gendarmen und speziellen Sicherheitskräfte agierten doch relativ entspannt. Auch beim Zutritt zum abgesperrten Bereich der Tribünen gab es, anders als zum Beispiel im Kongo oder Gabun, keinerlei Taschenkontrollen oder ähnliches. Ein burkinischer Journalist, neben dem ich während der Parade saß, meinte, noch vor wenigen Jahren seien die Sicherheitsmaßnahmen erheblich rigider gewesen; allein daran könne man ablesen, wie sicher Compaoré sich seiner Regierungsautorität inzwischen sei. Dennoch: Anweisungen sind Anweisungen, wir sind im Preußen Westafrikas. Ich wollte auf der Tribüne für die nationale Presse sitzen, weil ich mir dort interessantere Erläuterungen und Kommentare erhoffte als unter den internationalen Journalisten, doch ließen mich die Sicherheitsbeamten nicht hinauf, weil ausländische Presse nun einmal auf die Nachbartribüne gehöre. Meine Versuche, die Sicherheitsbeamten davon zu überzeugen, dass ich aus rein gesundheitlichen Gründen unmöglich vier Stunden lang direkt hinter der lautstarken Militärkapelle sitzen könnte, die vor der internationalen Pressetribüne musizierte, fruchteten nichts. Auch die Intervention des Koordinators der Presseaktivitäten war vergeblich; die Sicherheitsbeamten, die dem Innenministerium unterstanden, wollten von ihm keine Anweisungen entgegennehmen. Mir wurde das ganze Hin und Her immer peinlicher und ich wäre längst auf der mir zugewiesenen Tribüne geblieben, aber nun fühlte sich der Pressechef offenbar bei seiner Ehre gepackt. Also rief er den obersten Sicherheitschef herbei, der schließlich Order gab, mich auf die nationale Pressetribüne zu lassen, aber nicht ohne dem ersten Wächter zu bestätigen, dass er völlig korrekt gehandelt habe.

Schulkinder aus Bodo in der Zivilparade (Foto: Carola Lentz)Repräsentanten der Region Hauts Bassins (Bobo Dioulasso) in der Zivilparade (Foto: Carola Lentz)

Region du Sud Ouest in der Zivilparade (Foto: Carola Lentz)

Mit nur einer guten halben Stunde Verspätung begann die Parade dann um halb zehn. Insgesamt 7.010 Personen marschierten an den Ehrentribünen vorbei - 3.949 Zivilisten und 3.061 Militärs. Eröffnet wurde das Defilee mit einer pathetischen Begrüßungsrede des "maître de cérémonie", eines Mitarbeiters des für das Cinquantenaire hauptverantwortlichen Kultur-, Informations- und Tourismusministeriums, der durch die Parade führte und alle Zuschauer im Namen der Stadt Sya - so der alte Name Bobo-Dioulassos - willkommen hieß. Das Cinquantenaire sei "ein einzigartiger Augenblick der gemeinsamen Versicherung des kulturellen Erbes, das das burkinische Volk geschaffen habe", "ein Augenblick des kollektiven Erinnerns und der Würdigung der Erbauer der Unabhängigkeit", deren Opfern und Entbehrungen das Land seine Souveränität verdanke, und ein "Augenblick des Aufrufs an die gegenwärtigen Generationen, mit aller Entschlossenheit das Werk der Schaffung eines aufstrebenden Staats fortzusetzen und sich beherzt der Entwicklung des Vaterlands in einer befriedeten und sicheren Umwelt zu widmen". 50 Jahre lang habe man gemeinsam eine geeinte Nation erbaut, zusammengeschmiedet durch den gemeinsamen eisernen Willen, miteinander in Solidarität zu leben. An diesem besonderen Tag, zu Recht ein großer Feiertag, grüße das burkinische Volk, das Land der aufrechten Menschen (so die Bedeutung von Burkina Faso), voller Stolz seine illustren Ehrengäste. Die Parade, so der Sprecher weiter, präsentiere die lebendigen Kräfte ("forces vives") der Nation, geschmückt in den Farben der dreizehn Landesregionen, die Vielfalt der Institutionen des Landes und schließlich die Armee und Sicherheitskräfte sowie die Militärdelegationen der Freunde und Brüder in den Nachbarländern. "Hoch lebe Burkina Faso, hoch lebe die afrikanische Solidarität!" Die Rede wurde interpunktiert durch eine Gedenkminute für die unbenannten Opfer des heroischen Kampfs auf dem Weg zur Unabhängigkeit und zur geeinten Nation und beschlossen mit der Nationalhymne, die allerdings zumindest auf der Pressetribüne nicht viele Menschen mitsangen.

Delegation des Wirtschafts- und Finanzministeriums (Foto: Carola Lentz)Ministerium für Sport und Freizeit, Sportvereinigungen und Behindertensport (Foto: Carola Lentz)

Die ghanaische Navy Brass Band formt das F(aso) (Foto: Carola Lentz)

Eine wochenlang einstudierte Choreographie, vor der Tribüne des Präsidenten und seiner Staatsgäste aufgeführt, eröffnete die Parade. Sie stelle, so der Kommentator, das Motto des Cinquantenaire "50 Jahre Schaffung einer Nation: Erinnerung und Hoffnung" ("Cinquante ans de construction d'une nation: souvénir et esperance") dar. Ausgelassene Tänze bäuerlicher Frauen und Männer in Bobo-Tracht symbolisierten die unbeschwerte vorkoloniale Zeit, jäh unterbrochen von Senegalschützen unter dem Kommando eines weißen Kolonialbeamten, die die Bauern zu Zwangsarbeit antrieben, und schließlich die Befreiung dank der Geschicklichkeit und des Mutes der burkinischen Reiter – in Anspielung auf das Pferd als nationalem Symbol unbeugsamer Kampfbereitschaft. Auch diese Präsentation mündete in der Nationalhymne, zunächst der alten Hymne Obervoltas von 1960, dann der von Thomas Sankara 1984 eingeführten neuen, die auf die Zeile "La patrie ou la mort, nous vainquerons!" ("Vaterland oder Tod, wir werden siegen!") endet – eine Zeile, die Präsident Compaoré bald nach seiner Machtübernahme aus dem offiziellen Text streichen ließ, die aber jetzt doch gesungen und von allen Tribünen begeistert geschmettert wurde. Der Nationalhymne schloss sich ein von der burkinischen Militärkapelle intoniertes und mit viel Gelächter von allen mitgesungenes "Happy Birthday" an; 50 von Mali gestiftete weiße Tauben wurden freigelassen, und alle folgten ausgelassen der Aufforderung, sich gegenseitig die Hände zu schütteln und zum Cinquantenaire zu gratulieren – eine Geste, die zumindest die Katholiken an die gegenseitigen Segenswünsche der Gemeinde im Gottesdienst erinnert haben dürfte. Anders als in vielen anderen Cinquantenaire-Feiern blieb Religion übrigens bei den Veranstaltungen in Burkina ganz ausgeblendet, keine Gebete oder Trankopfer, sondern lediglich ein "Gott schütze Burkina Faso" zum Abschluss des Paradenkommentars.

Gendarmerie nationale, escadron d'escorte et d'honneur (Foto: Carola Lentz)Raketenwerfer des burkinischen Heeres (Foto: Carola Lentz)

Endlich begann nun die knapp einstündige Zivilparade, eröffnet von Schülerdelegationen aus Bobo-Dioulasso und Umgebung sowie einem Reigen von Repräsentanten der dreizehn Regionen des Landes, allen voran Hauts Bassins, der gastgebenden Region. Die defilierenden Frauen- und Bauerngruppen und andere Nichtregierungsorganisationen traten oft in regionaltypischer Kleidung auf, hatten aber alle wochenlang den militärischen Marschschritt geübt – Diversität im Gleichschritt könnte man diese uniformierte Inszenierung der regionalen und ethnischen Vielfalt nennen. Den Regionen folgten Delegationen sämtlicher Ministerien, wobei mal Schlips und Kragen tragende Angestellte, mal bunt gewandete "Klienten" die verschiedenen Institutionen repräsentierten, wie etwa eine mit Pfeil und Bogen bewaffnete Jägervereinigung, die beim Umweltministerium mitlief. In der motorisierten Zivilparade, die aus logistischen Gründen erst nach der fußläufigen und der motorisierten Militärparade vorbeifuhr, stellten verschiedene Einrichtungen auch kleine Szenen ihrer Dienstleistungen nach: Schalterbeamte am Computer im Postbüro, Ingenieure bei Vermessungsarbeiten, Angestellte der Elektrizitätsgesellschaft beim Montieren von Verkehrsampeln und dergleichen mehr. Am Schluss der fußläufigen Zivilparade trat schließlich eine Gruppe von Majoretten auf, die allerdings – anders als in Benin − weder von Chinesen trainiert worden war noch so große Begeisterung auslöste. Überhaupt waren zumindest meine Tribünennachbarn von der Zivilparade eher gelangweilt, größerer Enthusiasmus kam erst bei der Militärparade auf.

Zoll mit konfiziertem Schmuggelgut (Foto: Carola Lentz)Motorisierte Zivilparade - der Wagen der Société nationale d'électricité du Burkina (Foto: Carola Lentz)

Dass die Zivilisten vor den Militärs defilieren, war übrigens neu; in vorangegangenen Jahren kam immer zuerst das Militär. Ob man diesmal die Ordnung umgedreht hatte, weil die allgemeine Vorliebe für die Vorführungen des Militärs bekannt war und man die Spannung erhalten wollte? Jedenfalls marschierten am Kopf der beinahe eineinhalbstündigen Militärparade die ausländischen Militärkontingente, allen voran der viel beklatschte togolesische Fanfarenzug. Begeistert aufgenommen wurde auch die ghanaische Navy Brass Band, die in ihren weißen Ausgehuniformen schmissige Märsche schmetterte, vor der Präsidententribüne in Formation marschierte und unter großem Beifall ein B und ein F für Burkina Faso und eine 50 darstellte. Dann folgten die in allen Nationalparaden üblichen Kontingente von Soldaten, Gendarmen und Polizei zu Fuß, auf Motorrädern und schließlich mit leichten Panzern und schwerem Gerät. Das Thema Modernisierung und technologischer Fortschritt, das diese Waffenpräsentation inszenierte, dominierte dann auch die anschließende motorisierte Zivilparade: riesige Baufahrzeuge, Kräne und Bagger, die am "Schwellenland" Burkina bauen ("un Burkina émergent"). Dieser Fuhrpark war zugleich eine Demonstration der Bedeutung des größten Bauunternehmers von Burkina, Kanazoé, der auch viele der zum Cinquantenaire eingeweihten Gebäude und Denkmäler errichtet hatte und am Vortag mit einem nationalen Verdienstorden geehrt worden war. Vom vorkolonialen bäuerlichen Tanz nach entbehrungsreicher Feldarbeit zum hochtechnisierten Burkina von morgen – das war der große Bogen, den die Parade spannte.

Präsident Compaoré, umringt von Journalisten (Foto: Carola Lentz)Ende der Parade - Abfahrt der Gäste und Delegationen (Foto: Carola Lentz)

Um Punkt 13 Uhr war schließlich alles wie geplant zu Ende, ohne Zwischenfälle, technische Pannen oder sonstiges Ungemach, und ein mehr oder weniger geduldiges, mehr oder weniger begeistertes Publikum verließ die Tribünen. Präsident Compaoré, der - wie in Burkina üblich - während der Parade keine Ansprache gehalten hatte, wurde von Journalisten für ein kurzes Interview umringt und verschwand dann rasch. Und lange Kolonnen von Jeeps und edlen Staatskarossen fuhren auf dem Boulevard vor, um die gut 3.000 geladenen Gäste in die Residenz des Präsidenten zu bringen, wo die größten Restaurants und Hotels der Stadt sie mit einem Mittagessen verköstigen würden. Die Sicherheitskräfte sperrten den Tribünenbereich zwar noch eine Weile ab, aber das Volk eroberte sich die Straße allmählich zurück, sammelte leere Wasserflaschen ein und versuchte, einen letzten Blick auf die Prominenz zu erheischen. Die Gendarmen und ihre Helfer begannen mit dem Abbau der Tribünen. Alle waren erleichtert, dass der zentrale Festakt gut zu Ende gegangen war und die Parade auch Burkinas organisatorische Fähigkeiten eindrucksvoll demonstriert hatte

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 15.12.2010
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