Am Samstagabend endete der nationale Feiertag zum Goldenen Jubiläum der Unabhängigkeit in Burkina Faso auf einem Nebenschauplatz, dem Festplatz eines innenstadtnahen Wohnviertels von Bobo-Dioulasso. Ein müder, aber zufriedener Gouverneur der Region Hauts-Bassins übergab die Nationalflagge an den Gouverneur der Region Centre-Ouest, der im kommenden Jahr die Unabhängigkeitsfeier in Koudougou ausrichten wird. Nach der traditionellen Flaggenübergabe wurde in diesem Jahr erstmals auch eine goldene Fackel mit zwei Pferden, den burkinischen Wappentieren, überreicht. Diese symbolische Übertragung der Verantwortlichkeiten geschah jedoch nicht direkt zwischen den regionalen Autoritäten, sondern lief über den Ministre de l'Administration territoriale et de la Décentralisation, Clément Pengdwindé Sawadogo, der zugleich Präsident des nationalen Organisationskomitees des Cinquantenaire war.
Die meisten Staats- und sonstigen Ehrengäste der großen Parade vom Vormittag waren nicht mehr anwesend, sondern hatten Bobo bereits nach dem Mittagessen, zu dem der Präsident in seine neu erbaute Residenz geladen hatte, den Rücken gekehrt. Aus der Hauptstadt waren lediglich noch Clément Sawadogo und einige Mitglieder des Organisationskomitees sowie der Gesundheitsminister anwesend. Im kleinen Kreise der 'Haut-Commissaires' einiger Provinzen, des Bürgermeisters von Bobo-Dioulasso, einiger Abgeordneter der Nationalversammlung sowie einer Delegation der künftigen Ausrichter der Feier hatte die Zeremonie einen eher provinziellen Charakter. Der Großteil der Zuschauer kam aus Bobo-Dioulasso. Das musikalische Rahmenprogramm des Abends, das sich von Qualität und Bekanntheitsgrad der Künstler her langsam steigerte, machte die Abschlusszeremonie zu einem populären Ereignis, das viele Hunderte von Menschen auf den beliebten Festplatz lockte.
Auch andere Veranstaltungen im Rahmen der Cinquantenaire-Feiern fanden großen Anklang in der Bevölkerung. Am 10. Dezember, dem Vortag der eigentlichen Feiern, fand im großen Stadion von Bobo ein Freundschaftsspiel zwischen den Junioren der burkinischen Etalons (Hengste) und der Aigles (Adler) aus Mali statt. Das Fußballspiel war schon seit einiger Zeit im Fernsehen angekündigt worden und der freie Eintritt zog viele insbesondere junge Männer aus Bobo und Umgebung an. Für die ausländischen Soldaten, die für die Militärparade angereist und im Stadion untergebracht waren, war das Spiel eine willkommene Verkürzung der Wartezeit. Auch Premierminister Tertius Zongo war unter den Zuschauern auf der VIP-Tribüne. Erst beim Verlassen des Stadions bemerkten wir am neuen Schild über dem Haupteingang, dass das Stadion vor dem Anpfiff noch umgetauft worden war. Es heißt nun nicht mehr Stade Omnisport, sondern trägt den Namen des zweiten Präsidenten seit der Unabhängigkeit des Landes: Stade Général Aboubacar Sangoulé LAMIZANA.
Fast mehr noch als für das Spiel selbst begeisterten sich die Stadionbesucher für die Fallschirmspringer, die in der Halbzeitpause über dem Stadion kreisten und schließlich auf dem Spielfeld landeten.
Einen weiteren Höhepunkt bildete ein Heißluftballon, der vor dem Stadion gezündet wurde und hoch über der Menschenmenge flog, um kurz im Spielfeld zu landen und dann wieder aufzusteigen. Auf dem bunten Ballon waren die Porträts aller bisherigen Präsidenten von Obervolta bis Burkina Faso in schwarz-weiß sowie der frisch wiedergewählte Blaise Compaoré in Farbe abgebildet. Gemeinsam mit dem neuen Namen des Stadions bildeten diese Präsidentenporträts eine der seltenen Referenzen auf die nationale Geschichte während der Feierlichkeiten. Besonders war zudem, dass auch Compaorés Vorgänger, der von der burkinischen Jugend verehrte, bisher aber in sämtlichen offiziellen Geschichtsbezügen tunlichst unerwähnte Kapitän Thomas Sankara, abgebildet war.
Am darauffolgenden Tag, dem 11. Dezember, konnte der Präsident dann auch in Echtzeit betrachtet werden. Den Auftakt zur Parade bildete die Ankunft Blaise Compaorés, der um 9:44 Uhr in einem offenen Fahrzeug den Boulevard de la Revolution hinuntergefahren wurde. Den meisten Zuschauern, die sich am Straßenrand drängten, entlockte sein Erscheinen jedoch nicht mehr als mäßigen Applaus und ein paar Aufnahmen mit der Handy-Kamera. Ich hatte mich, nachdem wir unsere Plätze auf der Pressetribüne gesichert hatten, vom Schauplatz für die Ehrengäste entfernt und war die vierspurige Hauptstraße entlang in Richtung Stadtmitte gelaufen. Ich wollte mich unters Volk mischen, um die große Militär- und Zivilparade aus dessen Perspektive mitzubekommen.
Wer morgens um 6 Uhr gekommen war, konnte sich noch einen Platz in den ersten Reihen sichern. Manche hatten sich Plastikstühle mitgebracht; andere warteten stehend in der schon recht intensiven Morgensonne. Nachzügler hatten kaum noch eine Chance, von der Parade wirklich etwas zu sehen. Die Stimmung rund um den Boulevard war trotz der großen Menschenansammlung auffallend ruhig und auch die Sicherheitskräfte der Gendarmerie waren erstaunlich freundlich und entspannt.
Wer nahe der Tribünen stand oder saß, wo auch zwei Hangar für die Bevölkerung aufgebaut waren, konnte sich noch einer relativ guten Sicht erfreuen. Einige hundert Meter weiter war dann aber von den Marschierenden und den Fanfaren bereits nichts mehr zu sehen und zu hören. Die meisten Zuschauer bemängelten die schlechte Sicht und den Staub und wünschten sich eine bessere Organisation der Feierlichkeiten zugunsten des Volkes. Sie waren gekommen, um sich die marschierenden Gruppen und Fahrzeuge des Militärs anzuschauen, die Zivilparade interessierte sie nicht sonderlich. Beim Bestaunen der Militärparade mischte sich Stolz auf deren Strenge und Organisationsfähigkeit mit furchtvollem Respekt gegenüber den "hommes en tenue", den Männern in Uniformen. Nach ihrer Meinung zum Cinquantenaire befragt, drückten viele Zuschauer ihre Kritik gegenüber der gegenwärtigen Regierung und der mangelnden Entwicklung des Landes in den letzten 50 Jahren aus. Sie seien auch nicht zum Feiern gekommen, sondern um den Moment live zu erleben; gäbe man ihnen die Gelegenheit und ein Mikrofon, würden sie dem Präsidenten gern ihre Meinung sagen.
Eine organisierte Form der Kritik an der Regierung drückte sich zwei Tage nach der großen Feier anlässlich des Gedenktags für den regimekritischen Journalisten Norbert Zongo aus, der wegen seiner regierungskritischen Recherchen am 13. Dezember 1998 ermordet worden war. "Camerad Norbert" gilt bis heute als Märtyrer im Kampf um die Gerechtigkeit und die (Presse-)Freiheit. Der Fall hatte das Land in eine soziale Krise gestürzt und ist bis heute nicht aufgeklärt. Wie in den vergangenen Jahren auch hatte der Verband der Gewerkschaften in Bobo-Dioulasso, der seinen Sitz direkt gegenüber dem Rathaus hat, zu einem Marsch aufgerufen. Dieser wurde jedoch aufgrund zu geringer Beteiligung (es waren immerhin mehrere Hundert Sympathisanten erschienen) kurzfristig abgesagt und man beschränkte sich auf eine Versammlung. Der Hauptforderung, die Akte Norbert Zongo zu öffnen und nach 12 Jahren endlich für Gerechtigkeit zu sorgen, schlossen sich 13 weitere Forderungen an die Regierung an. In der anschließenden offenen Diskussion wurde lautstark Kritik am "despotischen System Blaise Compaoré" geübt und wiederholt nach einer stärkeren Mobilisierung gefordert, damit "Blaise verschwinde wie die anderen". Ein charismatischer älterer Herr beendete seinen Beitrag mit den Worten: "Am 11. Dezember hat das Bürgertum einer sog. Unabhängigkeit gedacht. Am 13. Dezember gedenkt das Land dem Mord an Norbert Zongo."
Beim gigantischen Feuerwerk am Abend des 11. Dezember waren dann aber doch für einen Moment alle Anwesenden, Politiker wie Kritiker, in entzücktem Staunen vereint. Der populäre Musiker Arias stimmte sein Loblied auf Burkina Faso mit den Worten an: "Ich bin stolz auf das Cinquantenaire. Ich bin stolz auf mein Burkina. Und in 50 Jahren werden wir uns wieder treffen, um gemeinsam das Centenaire zu feiern."