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Von Wahlkampf, Mobilisierung und Nationalgefühl

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Eintrag vom 19. November 2010
Svenja Haberecht

 

Foto: Svenja HaberechtDas Cinquantenaire ist derzeit aus den burkinischen Medien verschwunden und macht Platz für ein anderes Ereignis: die Präsidentschaftswahlen. Am 31. Oktober fiel offiziell der Startschuss für den Präsidentschaftswahlkampf in Burkina Faso. Neben dem amtierenden Staatschef Blaise Compaoré haben sich sechs weitere Kandidaten für die Wahlen am 21. November aufstellen lassen. Der Präsident ist jedoch weit vorn beim Rühren der Werbetrommel. Riesige Plakate wurden in den Städten aufgestellt, die Bäume an den Hauptstraßen sind mit Werbung für ihn und seine Partei, die CDP - Congrès pour la Démocratie et le Progrès beklebt, und überall sieht man mit seinem Gesicht bedruckte pagnes (Stoffe) und T-Shirts. Seit zwei Wochen tourt Blaise Compaoré durch alle Regionen des Landes, um sich eine weitere Amtszeit zu sichern. Gestern war er in Bobo-Dioulasso.

Foto: Svenja HaberechtIch kam gerade noch rechtzeitig mit dem Bus aus der Hauptstadt in Bobo an und fuhr direkt zum Stadion Omnisport, wo ich von unglaublichen Menschenmassen überrascht wurde. Viele waren aus bis zu 20 Kilometer entfernten Dörfern in Lastwagen hergebracht worden und warteten schon seit dem Morgen. Kurz nach meiner Ankunft wurde der Präsident auf das Gelände gefahren und genoss sein Bad in der Menge. Zum Glück war meine Assistentin schon im Inneren des Stadions und konnte mich hineinschleusen, denn die Tore waren bereits verschlossen und die Tribünen rappelvoll. Der Präsident ließ allerdings noch eine Weile auf sich warten, während seine Wahlkampf-Animatoren sowie verschiedene bekannte Musiker die Menge anheizten. Schließlich erschien Compaoré, lief von Beifall begleitet über den Platz auf sein Pult zu und hielt eine knapp zwanzigminütige Wahlkampfrede.

Als Ursprung für das Nationalgefühl der Burkinabè nannte der Präsident das Jahr 1932, in dem Burkina Faso, damals Obervolta, vorübergehend - bis zu seiner Wiederherstellung 1947 - zwischen Niger, Mali und Côte d'Ivoire aufgeteilt worden war. Damals hätten die Menschen "den gemeinsamen Kampf für unser Leben, unser Schicksal" aufgenommen. Ohne genaueren geschichtlichen Bezugspunkt dankte er immer wieder den "Männern und Frauen Burkina Fasos" und insbesondere der Region Hauts-Bassins, die für die "Würde und Freiheit unseres Landes" gekämpft hätten. Als Besonderheit dieser Region, deren Hauptstadt Bobo-Dioulasso ist, betonte er die kulturelle Vielfalt und das harmonische Zusammenleben der verschiedenen sozialen Gruppen in der Region, die für Burkina Faso ein Vorbild sei. Er beendete seine Rede mit dem Versprechen, er sei "l'homme qui va vous amener aux chantiers du développement de notre pays" / der Mann, der euch auf die Baustellen der Entwicklung unseres Landes begleiten wird. Besser kann man es wohl derzeit für Bobo-Dioulasso nicht ausdrücken - die Baustellen für das Cinquantenaire prägen noch immer das Stadtbild.

Foto: Svenja HaberechtIch war erstaunt zu sehen, wie viele Menschen sich versammelt hatten, um das Spektakel mitzuerleben. Der Großteil der Jugend trug T-Shirts mit dem Konterfei des Präsidenten, die in der ganzen Stadt verteilt worden waren. Aber auch sehr viele Frauen jeden Alters waren in buntem pagne mit Aufdrucken des Präsidenten und seiner Partei gekleidet. Meine stichprobenartigen Umfragen, wer von ihnen denn am kommenden Sonntag auch tatsächlich "Blaiso", wie der Präsident von der Jugend besungen wird, wählen würde, ergaben, dass die Mehrheit der Anwesenden kein politisches Interesse zum Stadion geführt hatte: Für die meisten war es einfach eine Abwechslung, die Möglichkeit ein T-Shirt zu ergattern und gemeinsam mit Freunden bei Live-Musik zu feiern.

Foto: Svenja Haberecht  Foto: Svenja Haberecht  Foto: Svenja Haberecht

Tatsächlich leerten sich die Tribünen auch bereits während Compaorés Rede, als klar wurde, dass die musikalische Unterhaltung vorbei war. Die Menschenmassen sammelten sich vor dem Stadion und machten sich bereit für die teils beschwerliche Heimreise in völlig überfüllten Transportmitteln.

Meinem bisherigen Eindruck nach gibt es viele Burkinabè, die mit dem amtierenden Präsidenten unzufrieden sind und sich einen Regierungswechsel wünschen, diesen jedoch zugleich für sehr unwahrscheinlich halten. Einer der Gegenkandidaten, Arba Diallo, ein bekannter und weltbereister Politiker aus Dori, der Hauptstadt der Region Sahel im Norden des Landes, hat tatsächlich die Mehrheit der Opposition hinter sich und wird als einziger ernsthafter Herausforderer Compaorés zumindest für den ersten Wahldurchgang gehandelt. Dennoch hält niemand einen Amtswechsel für möglich und die Mehrheit der Bewohner Burkina Fasos verbindet derzeit wahrscheinlich die Klage über einen pseudo-demokratischen Regierungsstil.

Die enorme Mobilisierung für den Wahlkampf sagt wenig über die politische Haltung der Einzelnen aus. Doch sehr deutlich wird, dass Alt und Jung gleichermaßen am öffentlichen Leben teilnehmen und vor allem feiern wollen! Eine wichtige Erkenntnis im Hinblick auf die Feierlichkeiten zum Cinquantenaire am 11. Dezember hier in Bobo-Dioulasso.

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 15.12.2010
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