Die letzte Woche stand Bobo-Dioulasso ganz im Zeichen der Kultur. Die Semaine Nationale de la Culture (SNC), die alle zwei Jahre im April stattfindet, wurde dieses Jahr in den Dezember verlegt, um das Cinquantenaire (das am kommenden Samstag,
11.12.2010 gefeiert wird) gebührend einzuläuten. Das Programm der SNC war so dicht, dass man gar nicht alles sehen konnte. An verschiedenen Punkten in der Stadt waren Bühnen aufgebaut, es gab Konzerte, Ausstellungen, Konferenzen und eine große Messe mit allerlei Krimskram (der allerdings teilweise eher chinesisch als burkinisch anmutete).
Auf dem Rathausplatz war ein "Village des Communautés" aufgebaut, ein Dorf aus Ständen mit kulinarischen Köstlichkeiten und Handwerkskunst der verschiedenen ethnischen Gruppen, die in Burkina Faso leben. Jeder Tag war den Mitgliedern einer bestimmten Scherzverwandtschaft gewidmet, die Musik- und Tanzaufführungen darboten. Die Parole, die bei der Eröffnung durch den Bürgermeister ausgesprochen wurde, entsprach dem auch in Ghana und Nigeria verbreiteten Motto der "Unity in diversity", des friedlichen Miteinanders der verschiedenen Gruppen. Fragte ich danach, welche kulturellen Werte denn geteilt werden, nannten die meisten meiner Gesprächspartner an erster Stelle Solidarität sowie den Respekt gegenüber anderen Kulturen. Kultur wird ohnehin fast immer im Plural verstanden: Jeder Ethnie in Burkina wird eine eigene "Kultur" zugeschrieben. Als vereinende Komponente werden dann meist die Scherzbeziehungen genannt, die die Burkinabè als wichtigsten Faktor für Frieden und soziale Kohäsion ansehen.
Ich hörte innerhalb der Woche sechs Vorträge, diesich allesamt mit großen Themen wie Kultur, Tradition, Religion und Identität beschäftigten. Zum Ausgleich verfolgte ich zwischendurch traditionelle Sportwettkämpfe im Stadion, ging zu Ausstellungen und beendete den Tag meist mit dem Besuch von Konzerten oder burkinischer Comedy.
Wer nun denkt, die Stadt gönne sich nach diesem kulturellen Marathon erst einmal eine Verschnaufpause, der irrt. Das Cinquantenaire ist omnipräsent. Die Gendarmerie ist mit dem Aufbau der Tribünen beschäftigt, das Militär gibt Anweisungen für die Zivilparade, und die Baufirmen schuften, um alle Bauten fertig zu stellen, die in den nächsten Tagen eingeweiht werden sollen.
Heute fand zum Beispiel auf dem Rathausplatz eine Einweihungs- und Taufzeremonie der Straßen Bobo-Dioulassos statt, die im Rahmen des Cinquantenaire neu gepflastert oder ausgebessert wurden. In den nächsten Tagen werden die neu errichteten Denkmäler eingeweiht, dann die Infrastruktur am Flughafen, der große Gemüse- und Früchtemarkt, der Ministerienkomplex sowie ein lang ersehntes Kinderkrankenhaus.
Die Hauptstraßen sind geschmückt mit zahllosen Wimpeln, Plakaten und Leuchtdekoration. Ich selbst konnte noch eben eine der letzten Cinquantenaire-Stoffe ergattern, die ich morgen vom Schneider abhole. Und auch den lang erkämpften laissez-passer halte ich endlich in Händen. Mit anderen Worten: Der 11. Dezember kann kommen.