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Zwei Präsidenten, zwei Premierminister - quo vadis, Côte d’Ivoire?

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Eintrag vom 6. Dezember 2010
Konstanze N'Guessan

 

Im letzten Beitrag habe ich über die erste Wahlrunde der Präsidentschaftswahlen berichtet. Eigentlich sollte das der letzte Beitrag aus der Elfenbeinküste sein, aber die Ereignisse der vergangenen Woche verlangen doch nach einer Aktualisierung. Am 28.11. hat, wie geplant, die Stichwahl stattgefunden, zu der der amtierende Präsident Laurent Gbagbo (FPI) und Alassane Ouattara zugelassen waren. Letzterer trat nun als Kandidat der RHDP an – unterstützt von dem ausgeschiedenen Kandidaten der PDCI, Henri Konan Bedié. Die Stichwahl lief im Großen und Ganzen frei und transparent ab - so kommentierten es wenigstens die internationalen Wahlbeobachter. Bis Mittwoch, den 1.12. um Mitternacht, hatte die unabhängige Wahlkommission CEI Zeit, das Ergebnis zu verkünden. Dienstagnachmittag flimmerten Bilder über die internationalen Fernsehsender, die in einer Mischung aus theatralischer Inszenierung und unbeabsichtigtem Kabarett eine turbulente Woche einläuteten, an deren Ende die Côte d’Ivoire nicht nur zwei offiziell vereidigte Präsidenten, sondern auch zwei Premierminister haben würde.

 

Filmausschnitt: Yacouba Bamba und Damana Pickass beim gescheiterten Versuch die Wahlergebnisse bekanntzugeben 

 

Eingeladen von der CEI filmten diverse nationale und internationale Kamerateams den Versuch des Sprechers der CEI, Yacouba Bamba, die Abstimmungsergebnisse einiger Departements bekanntzugeben. Zu Bambas Rechten stand ein Mann, der ohne Unterlass auf Bamba und die Journalisten einredete. Er sagte, dass diese Ergebnisse nicht vom Zentralkomitee der CEI bestätigt seien. Vielmehr seien sie falsch und Bamba habe nicht das Recht, diese Ergebnisse bekanntzugeben. In diesem Stil versuchte er, Bamba an der Bekanntgabe der Ergebnisse zu hindern.

Schließlich verließ er schimpfend den Raum mit den Worten "Macht doch was ihr wollt". Als Bamba daraufhin von Neuem ansetzte, die Ergebnisse vorzulesen, schritt der zu seiner Linken stehende Mann ein. Er rief: "Lass das, lass das, die Ergebnisse sind falsch, sie sind nicht gültig", riss ihm die Zettel aus der Hand und verließ fluchtartig das Gebäude. Die Kameras schwenkten von Bambas perplexem Gesicht auf den jungen Mann. Alle drei Beteiligten dieser Szene sind Mitglieder der CEI, die sich aus Vertretern aller Parteien zusammen setzt.

Der junge Mann, der die Zettel zerriss, ist Damana Pickass. Früher bildete er den Kopf der militanten Studentenvereinigung FESCI, heute ist er Präsident der Jugend der FPI. Er hatte als Präsident des "Forum des Jeunes pour le Cinquantenaire" im Juli die offizielle Jugendveranstaltung im Rahmen der Feierlichkeiten organisiert. Sein "Forum des Jeunes" war eine Eigeninitiative, durchgeführt gemeinsam mit Parteifreunden und ehemaligen FESCI-Kollegen, aber von der Cinquantenaire-Kommission anerkannt und finanziell unterstützt. Kipré ehrte die Veranstaltung sogar mit seiner Anwesenheit. Die Tatsache, dass die Cinquantenaire-Kommission sich so offensiv hinter eine Organisation stellte, deren Präsident so eindeutig parteipolitisch involviert ist und zudem eine militante Vergangenheit hat, hat schon damals für einigen Unmut gesorgt. Nicht zuletzt solche Aktionen haben zu dem Eindruck beigetragen, dass das Forum des Jeunes ebenso wie alle anderen offiziellen Veranstaltungen zum Cinquantenaire eine Gbagbo-Feier waren. Die oben beschriebene Szene scheint als Nachgesang auf das Jubiläum diese Kritik zu bestätigen.

 

Kipré beim Forum des Jeunes, Foto: Konstanze N’Guessan   Damana Pickass beim Forum des Jeunes, Foto: Konstanze N’Guessan  

 

Was passierte weiter? In der Folge gab es keine weiteren Versuche der CEI, öffentlich Ergebnisse bekanntzugeben. Gbagbo verhängte eine Ausgangssperre. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei gab es mehrere Tote. In der Nacht auf Donnerstag starben acht Menschen bei einer Schießerei zwischen Militär und Jugendlichen in der Nähe des Parteisitzes von Ouattara in Abidjan. Am Donnerstag, den 2.12., überschlugen sich die Ereignisse. Der Präsident der CEI, Youssouf Bakayoko (dem Namen nach aus dem Norden der Côte d‘Ivoire stammend), verkündete, dass Ouattara die Wahl mit 54,1% der Stimmen gewonnen habe. Die Anhänger Ouattaras stürmten jubelnd die Straßen. Das Militär schloss alle Grenzen des Landes - zu Land, Wasser und Luft - für Ein- und Ausreisen und unterdrückte den Empfang ausländischer Radio- und TV-Sender. Am Abend erklärte Paul Yao N’Dré, Präsident des Verfassungsgerichts, die Erklärung der CEI für ungültig, weil ihr Mandat am Mittwoch um Mitternacht abgelaufen sei. Außerdem habe es Betrugsfälle in einigen Wahlbezirken im Norden gegeben, die erst noch überprüft werden müssten. Von nun an sei das Verfassungsgericht für die Bekanntgabe des Ergebnisses verantwortlich. Paul Yao N’Dré war eines der neun festen Mitglieder der Cinquantenaire-Kommission und ist erst Anfang des Jahres von Gbagbo in das Amt als Präsident des Verfassungsgericht eingesetzt worden.

Der Chef der UNO-Sicherheitsmission in Côte d’Ivoire, der Koreaner Choi, rief die politischen Akteure auf, das Ergebnis der CEI anzuerkennen, die Ouattara als Sieger proklamiert hat. Gbagbo drohte ihm daraufhin mit dem Rauswurf. In den folgenden Tagen schlossen sich dem Aufruf Chois die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, die EU, die AU, ECOWAS, die UNO, die USA und Groß-Britannien an und gratulierten Ouattara zum Sieg.

Am Freitag verkündete Paul Yao N’Dré die Ergebnisse des Verfassungsgerichts, nach denen Gbagbo mit 51,45% der Stimmen die Wahl gewonnen hat. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht nach der Annullierung der Stimmen aus drei Departements im Norden, in denen Ouattara jeweils über 80% der Stimmen auf sich vereinen konnte.

Am Samstag ließ sich Gbagbo in einer feierlichen Zeremonie im Präsidentenpalast vereidigen. Außer seinen eigenen Parteifreunden waren allerdings nur die Botschafter Angolas und Libanons bei der Zeremonie anwesend. Die libanesische Gemeinde Abidjans verkündete später, die Anwesenheit ihres Botschafters spreche nicht für die Gemeinde, sondern sei ein privater Akt gewesen. In seiner Ansprache kommentierte Gbagbo die "Parteiergreifung" der internationalen Gemeinschaft für seinen Rivalen mit den Worten, er selbst sei "gewählt als Vertreter des Volkes, um die nationale Souveränität zu verteidigen", und das sei "nicht verhandelbar".

Ouattara betrachtet sich allerdings weiterhin als "gewählter Präsident". Ermutigt von der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft legte er mittels eines Schreibens an den Verfassungsrat ebenfalls den Präsidenteneid ab. Der Premierminister und ehemalige Rebellenchef Soro Guillaume stellte sich hinter Ouattara, indem er vor jenem sein Amt niederlegte. Er und die Forces Nouvelles, die nach wie vor den Norden des Landes kontrollieren, versicherten Ouattara ihre Unterstützung. Als Konsequenz daraus gab Ouattara das Mandat als Premierminister wieder an Soro zurück.

 

Titelblatt Le Patriote vom 6.12.2010, Foto: Konstanze N’Guessan

Der weitere Verlauf in Kurzform

Am Sonntag reiste Ex-Präsident Thabo Mbeki in Mission der Afrikanischen Union nach Abidjan, um zu vermitteln. Ouattara stellte seine Regierung vor. Premierminister Soro bekommt das Amt des Verteidigungsministers. Alle anderen Ministerien gehen an Mitglieder der RHDP. Mit dem Ex-Rebellenführer an der Spitze des Verteidigungsministeriums wird die drohende Spaltung des Landes immer wahrscheinlicher. Am Abend nominierte auch Gbagbo einen Premierminister: Aké N’Gbo. Er war der Präsident des Wissenschaftskomitees der Cinquantenaire-Kommission, der im Mai nach einer umstrittenen (da zu offensichtlich von Gbagbo gewaltsam durchgesetzten) Kandidatur zum neuen Präsidenten der Université von Cocody (der größten Universität des Landes) gewählt wurde.

Pierre Kipré, der Botschafter der Côte d’Ivoire in Frankreich und Präsident der Cinquantenaire-Kommission, bezog in verschiedenen Interviews in europäischen TV-Sendern Stellung zu den Vorkommnissen und stellte sich dabei auf die Seite Gbagbos. Den französischen Medien und der internationalen Gemeinschaft wirft er unrechtmäßige Einmischung vor. Wütend wies er Vorwürfe von Parteiklüngel und die Anspielungen eines französischen Journalisten über "Freundschaften" zwischen Gbagbo und dem Präsidenten des Verfassungsgerichts zurück. Begrüßt wurde Kipré von dem Journalisten mit den Worten "Guten Tag Herr Kipré, Botschafter von Laurent Gbagbo", woraufhin Kipré ihn unterbrach: "Botschafter der Côte d’Ivoire". Das Verbot europäischer TV-Sender begründete Kipré im Interview damit, dass diese die Ivorer zu ungerechtfertigter Gewalt und Revolte anstachelten. Durch das ganze Interview zog sich der Vorwurf, Frankreich sei parteiisch und stelle sich hinter Ouattara, um den ungeliebten Gbagbo loszuwerden, der die Côte d’Ivoire endlich von der kolonialen Abhängigkeit befreit habe. Das ertrage Frankreich nicht und versuche deshalb, Ouattara zu installieren.

 

Fernsehinterview mit Pierre Kipré 


Die Ereignisse der letzten Tage bestätigen auf eindrucksvolle Art die Cinquantenaire-Kritiker, die mir immer wieder erklärten, dass die Kommission nichts als eine Gruppe von FPI-Intelektuellen sei, die Gbagbos Kampagne mehr Glanz verleihen sollten
. Ich selbst hatte bis vor kurzem noch immer einen Teil der Verantwortung für die Einseitigkeit der Kommission auch bei den "Verweigerern" gesucht. Aber je häufiger meine Interviewpartner und Informanten aus der Cinquantenaire-Kommission in den letzten Tagen in den Nachrichten auftauchten, umso weniger ist es möglich, meine diplomatisch-distanzierte Haltung aufrecht zu erhalfen - zu Damana Pickass, mit dem ich ein sehr engagiertes Interview führen konnte, Paul Yao N’Dré, Pierre Kipré und zu guter Letzt Aké N’Gbo.

Ich beende diesen Blogeintrag hier. Noch ist das Verwirrspiel allerdings nicht ausgestanden. Im besten Fall begreift Gbagbo, dass er gegen den Widerstand der internationalen Gemeinschaft sich nicht als Präsident wird halten können. Schon beraten die Weltbank und die BAD über eine Aussetzung der Hilfe. Im Augenblick aber scheinen die internationale Solidaritätsbekundungen für Ouattara nur die Verschwörungsszenarien im nationalistischen FPI-Lager zu bestätigen, dass Ouattara in Wahrheit eine Marionette der neokolonialistischen, imperialistischen Weltmächte sei, die nichts anderes im Schilde führe, als die seit 2002 mühsam erkämpfte Souveränität der Côte d’Ivoire wieder zu verkaufen. Und auf paradoxe Art und Weise klingen die "Gib-Auf-Rufe" der internationalen Gemeinschaft in den Ohren Gbagbos und seiner Anhänger eher als ein "kämpfe bis zum bitteren Ende" - für die Unabhängigkeit der Nation.

 

Titelblatt Le Temps Hebdo vom 1.12.2010, Foto: Konstanze N’Guessan

 

Im schlimmsten Fall beharren beide Parteien weiter auf ihrem Sieg, und die vorsichtige Annäherung zwischen Norden und Süden seit 2007 verpufft. Dann hat die Côte d’Ivoire nicht mehr einen "Regierungssüden" und einen "Rebellennorden", sondern einen "Regierungssüden" und einen "Regierungsnorden", mit zwei unterschiedlichen Regierungen.

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 07.12.2010
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