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Das Jubiläum und der Müll - Teil I

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Eintrag vom 13. Juli 2010
Christine Fricke


Gabun stellt sich gern als Leuchtturm des Wohlstands, des Friedens und neuerdings auch eines ökologischen Bewusstseins auf dem afrikanischen Kontinent dar.1 Doch gerade das ökologische Gleichgewicht der Hauptstadt Libreville sorgt vor den Feierlichkeiten für Aufsehen: Libreville versinkt im Müll. Die wichtigsten Personen des Landes und das Vorbereitungskomitee des Jubiläums sind sich einig, dass dies schleunigst geändert werden muss, bevor am 17. August die 50-Jahr-Feier der Unabhängigkeit in dem zentralafrikanischen Ölstaat stattfindet. Dass fast alle afrikanischen Metropolen unter einem Müllproblem leiden, ist nichts Neues und auch in Libreville wird die Abfallfrage schon seit Jahren diskutiert2. Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen der Feierlichkeiten zum Cinquantenaire verdeutlicht die Mülldebatte aber insbesondere auch die Versäumnisse der letzten 50 Jahre.

Libreville, die drittteuerste Stadt des Kontinents3, ist bekannt für ihren Reichtum. Doch abseits der Glaspaläste, der Boutiquen namenhafter Mode-Labels, die sich darin verbergen, der Luxus-Spas und der Strand-Villen außerhalb der Stadt existiert eine ganz andere Realität, die Welt der Matitis, der populären Viertel.4 Sinnbild defizitärer Stadtplanung, verdeutlichen diese quartiers die Probleme einer anhaltenden, unkontrollierten Urbanisierung. Unbezahlbare Mieten und hohe Lebenshaltungskosten zwingen die Bevölkerung, auf engstem Raum in notdürftig errichteten Siedlungen mit mangelhaften sanitären Einrichtungen und zwischen offenen, mit Abfällen verstopften Abwasserkanälen zu leben. Diese gesundheitsschädlichen Bedingungen, die ca. 70% der Libreviller betreffen, sind nur ein Aspekt der sozialen Missstände, die einen Schatten auf die Feierlichkeiten werfen.5 Paul Biyoghé Mba, Premierminister und Präsident des Vorbereitungskomitees der Feiern, forderte nun angesichts des bevorstehenden Jubiläums ein schnelles Handeln der Müllentsorgungsfirma SOVOG (Société de Valorisation des Ordures Ménagères du Gabon), die seit 2002 mit der Lösung des Problems beauftragt ist.

Die Situation ist allerdings kompliziert: SOVOG weist darauf hin, dass die schmalen, unasphaltierten Gassen der illegal errichteten Matitis den Zugang der Reinigungs- und Entsorgungsfahrzeuge unmöglich machen. Der Premierminister verlangt deshalb nun vom Bürgermeister der Hauptstadt, Jean François Ntoutoume Emane, für die Reinigung der Stadt und die Müllsammlung innerhalb der schwer zugänglichen Viertel zu sorgen. Der Bürgermeister bemängelt seinerseits jedoch die fehlenden technischen und finanziellen Mittel und hofft stattdessen auf die Hilfe der zuständigen Ministerien. Um den feierlichen Charakter des bevorstehenden Cinquantenaire nicht zu gefährden, sollen nun Jugendgruppen den Müll innerhalb der Viertel sammeln und an den dafür vorgesehenen und für die Müllwagen der SOVOG erreichbaren Orten deponieren.6

Doch dies führt nur zum nächsten Problem: Die städtische Mülldeponie ist mittlerweile dermaßen über-füllt, dass sie eine ernstzunehmende Gefahr für das Grundwasser sowie die umliegenden Gewässer dar-stellt. Der Vertrag zwischen SOVOG und dem gabunischen Staat beinhaltet zwar auch die Errichtung einer neuen Müllverarbeitungsanlage durch die Entsorgungsfirma. Doch diese kann nicht mit dem Bau beginnen, solange nicht die zuständige staatliche Behörde die Zuweisung und Zugänglichkeit des vorgesehenen Gebietes veranlasst. Dies wiederum beinhaltet allerdings, dass die Bevölkerung, die hier bereits ein neues Matitis errichtet hat, umgesiedelt werden müsste - ein noch ganz ungeklärtes Problem.7

Das Hauptproblem jedoch, darin stimmen Politiker und Müllentsorger überein, sei die fehlende Disziplin, sprich: staatsbürgerliche Erziehung, der Libreviller. Letztere würden sich weder an den städtischen Müllkalender noch an die nationalen Gesetze zum Schutz der Umwelt halten. Eine striktere rechtliche Verfolgung der Umweltsünder sowie eine Sensibilisierungskampagne sollen dem nun noch vor dem Jubiläum Abhilfe schaffen. Präsident Ali Ben Bongo erklärte kurzerhand den 7. Juli zum ersten "jour de la citoyenneté" (Tag der Staatsbürgerlichkeit), der nun jeweils am ersten Mittwoch eines jeden Monats durchgeführt werden und die Bevölkerung zur korrekten Müllentsorgung und zur Verschönerung ihrer Stadtviertel animieren soll.8  Zum allgemeinen Amüsement der Bevölkerung lief am Abend des besagten Tages eine 30-minütige Reportage im staatlichen Fernsehen, die die verschiedenen Minister und Ministerialbeamten beim eher halbherzigen Kehren der Bürgersteige vor ihren Arbeitsplätzen filmte. Manch eine/r der putzenden Autoritäten zeigte sich davon überzeugt, dass mit der Aktion ein wesentlicher Schritt in Richtung "fêter le Cinquantenaire en beauté" (die 50-Jahr-Feier in Schönheit feiern) getan sei. Ein Blick auf die Straßen außerhalb des Stadtzentrums lässt daran allerdings nach wie vor Zweifel aufkommen.

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1 Vgl. z.B.: Ali Ben Bongo (2010): Les trois piliers économiques du Gabon émergent, zitiert am 12.07.2010 nach: http://www.presidentalibongo.com/gabon-emergent.php?Id=1; o.A. (2010): 1960-2010: Naissance d’une Nation, in: Le pratique du Gabon 2010: 8-14.
2 Vgl. zu Gabun: Mombo, Jean-Bernard und Mesmin Edou (2005): Gestion des déchets solides urbains au Gabon, in: Geo-Eco-Trop, 29: 89-100 ; Ndone, Fabrice Agyune (2004): La question de l’insalubrité et la gestion des ordures ménagères à Libreville: cas du quartier Nkembo, Mémoires de maîtrise, Libreville: Université Omar Bongo, zitiert am 12.07.2010 nach: http://www.anthropologie-gabon.info/article.php3?id_article=22&artsuite=5; zu Afrika allgemein: Benrabia, Nora (2003): Le financement du service de gestion des déchets ménagers en Afrique, Yaoundé: Africités 2003, zitiert am 12.07.2010 nach: http://www.pseau.org/epa/gdda/Ateliers_rencontres/8_decembre_2003/Benrabia.pdf.
3 Vgl. Mercer (2010): Aktuelle Cost-of-Living Studie, zitiert am 12.07.2010 nach: http://www.mercer.com/summary.htm?idContent=1383820.
4 Zur Geschichte des Begriffs „quartier populaire“ in den Sozialwissenschaften vgl. Bacque, Marie-Helene & Yves Sintomer (2002): Peut-on encore parler de quartiers populaires?, Espace et Societé, zitiert am 08.07.2010 nach http://www.sintomer.net/publi_sc/documents/PEUT_ON_ENCORE_PARLER_DE_QUARTIER_POPULAIRE_000.pdf.
5 Mangelhafter Zugang zu Trinkwasser und Elektrizität, Nahrungsmittelknappheit und eine unzureichende  Gesundheitsversorgung gehören zu den häufigsten Problemen, vgl. Ogooueinfos (2010): Gabon: célébration du cinquantenaire de l' indépendance, 01.03.2010, zitiert nach: http://www.ogooueinfos.com/index.php?action=voirNews&id=743 am 08.07.2010.
6 Vgl. Agence gabonais de la presse AGP (2010): Indépendance du Gabon: Les préparatifs vont s’accélérer à travers des opérations pérennes, 26.03.2010, zitiert nach : http://www.agpgabon.ga/show_article.php?IDActu=7258 am 08.07. 2010. Zur Einbindung von Jugendgruppen und NGOs bei der Müllentsorgung vgl.: Ada, Corine (2006): Réseaux sociaux et déchets solides dans les villes gabonaises, Networks and Communication Studies NETCOM, 20 (3-4): 183-194.
7 Vgl. Agence gabonais de la presse AGP (2010): Indépendance du Gabon: Les préparatifs vont s’accélérer à travers des opérations pérennes, 26.03.2010, zitiert nach : http://www.agpgabon.ga/show_article.php?IDActu=7258 am 08.07. 2010.
8 Vgl. AFP (2010): Gabon: contre "la saleté", des ministres balayeurs ou éboueurs... d'un jour, zitiert am 12.07.2010 nach: http://www.romandie.com/infos/news2/100707233354.oy1nizzi.asp.

 
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 30.11.2010
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