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Das Jubiläum und der Müll - Teil III

Zur Konstruktion eines Nationalhelden

 

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Eintrag vom 13. Juli 2010
Christine Fricke


Die Öffentlichkeitsarbeit für alle weiteren geplanten Veranstaltungen im Rahmen des Cinquantenaire hält sich noch in Grenzen, und Informationen über das geplante Programm gelangen kaum an die Bevölkerung. Doch derweil wird etwas ganz anderes massiv beworben: Das Gedenken an den am 8. Juni 2009 verstorbenen Präsidenten Omar Bongo Ondimba, ehemals Omar Bongo, ehemals Albert Bernard Bongo. An allen wichtigen Orten der Stadt wurden zu seinem ersten Todestag überdimensionale Banner und Plakate aufgehängt, die an den "Vater der Nation" erinnern sollen. An jedem der Laternenpfähle entlang der Boulevards hängen kleinere Plakate mit Fotos und Zitaten aus Reden des einstigen Staatsoberhaupts. Die Vehemenz, mit der Bongo zum Nationalhelden stilisiert wird, verdeutlicht aber auch, wie umstritten seine 42-jährige Präsidentschaft war. Und angesichts der Versäumnisse der letzten 50 Jahre, die allerorts angeprangert werden, leuchtet ein, weshalb am Bild des ehemaligen Präsidenten etwas gefeilt werden muss.

'Das dankbare Gabun vereinigt sich in der Erinnerung an Präsident Omar Bongo Ondimba', Foto: Christine FrickeAllein die Amtszeit des Langzeitherrschers würde ausreichen, um ihm einen Platz in den Geschichts- und Rekordbüchern auch außerhalb Gabuns zu sichern. Und in Gabun selbst fasst ein Spezialmagazin, das an allen Zeitungsständen verkauft wird, sein Leben auf knapp 100 Seiten zusammen. Seine Geschichte liest sich wie die eines politischen Superhelden: Geboren wird Albert Bernard Bongo 1935 in einfachen Verhältnissen als Sohn eines Bauern tief im zentralafrikanischen Urwald. Stolz auf seine Herkunft, die er als ein moralisches Erbe betrachtet, verliert Bongo auch im Laufe seines Lebens nie den Bezug zur Bevölkerung. Sein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit lässt ihn schon früh ein politisches Interesse entwickeln. Mit Anfang zwanzig ist Bongo ein politisch aktiver, verantwortungsvoller Mann, dessen Visionen für ein unabhängiges Gabun die führenden Politiker des Landes auf ihn aufmerksam machen. 1961 wird er von Léon Mba in die Regierung, 1963 zum Verteidigungsminister berufen. 1967 soll er zum Vize-Präsidenten ernannt werden, doch Bongo bittet um die Bestätigung des Volkes, die ihm im März durch allgemeine Wahlen zugesichert wird. Im Dezember 1967 wird er, nach dem Tod Mbas, mit 32 Jahren der jüngste Staatschef der Welt.13

Bongos Verdienste auf nationaler und internationaler Ebene, so die Interpretation, seien immens: nationale Einheit, Frieden, Wohlstand, Integration und Förderung marginaler Gruppen, Bau der transgabunischen Eisenbahn und von Häfen, Staudämmen und Elektrizitätswerken, Ölförderung, Modernisierung der Städte, Bau prestigeträchtiger Gebäude, Gründung der nationalen Fluglinie, der Post und Telecom, Investitionen in Bildung und Gesundheit, internationale Anerkennung…, kurz: eigentlich alles, was das moderne Gabun ausmacht. Weltweit würde er geschätzt als Lebensretter für mehrere tausend Waisenkinder des Biafra-Krieges, als Friedensstifter bei zahlreichen innerafrikanischen Krisen, als erfolgreicher Vermittler im Kampf gegen die Apartheid sowie im Israel-Palästina Konflikt und als einer der Hauptakteure der OAU. Aber auch privat sei er, wie zu erwarten, ein liebevoller Ehemann und fürsorglicher Familienvater gewesen.14  Mit einem Wort: ein Nationalheld, der seines Gleichen sucht.

'365 Tage…Papa, du bist in unserem Herzen für immer und ewig', Foto: Christine FrickeHinter der als inoffiziell getarnten Deutung steckt aber offensichtlich ein politisches Projekt. Der Versuch, die gesamte Geschichte des unabhängigen Staates Gabuns auf die Verdienste eines einzigen Mannes zurückzuführen, macht aus Bongo das Nationalsymbol No. 1, das die nationale Einheit erhalten soll.15 Das springt auch auf den Plakaten ins Auge, die überall in der Stadt hängen: Sie zeigen die geographischen Umrisse Gabuns, mit Bongos Portrait in der Mitte, umgeben von den Wappen der neun Provinzen und einer Bildüberschrift, die dies nochmal verdeutlicht. Nach dem Tod Bongos drohte der Frieden in Gabun tatsächlich ins Wanken zu geraten. Darum hat der Mythos der kollektiven Erinnerung, der hier bemüht wird, vielleicht auch seine positiven Seiten - auch wenn vielleicht nicht alle Gabuner zu dem gleichen Fazit kommen, wie die inoffizielle-offizielle Darstellung von Bongos Leben: "Die Geschichte wird durch das Leben einiger großer Menschen markiert - diejenigen die man die Unsterblichen nennt - deren persönliches Werk unauslöschliche Spuren hinterlässt. Omar Bongo Ondimba hinterlässt das Bild eines Mannes, der die schönsten Seiten der Geschichte Gabuns geschrieben hat, und das eines geliebten Vaters"16.

 

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13 Fondation Omar Bongo Ondimba (2010): Omar Bongo Ondimba: Un destin gabonais, magazine spécial historique, Libreville: 1-25.
14 Ibid.: 26-91.
15 Vgl. auch Tedga, Jean Paul (2010): Li Bongo Ondimba prêche l’unité nationale, AfriquEducation, 303-304: 25-27. Zur Funktion nationaler Symbole vgl. z.B. Geisler, Michael E. (2005): What are National Symbols - and What Do They Do to Us?, in: Michael Geisler (Hg.): National Symbols, Fractured Identities: Contesting the National Narrative, Middlebury, Middlebury College Press: XIII-XLII.
16 Fondation Omar Bongo Ondimba (2010): Omar Bongo Ondimba: Un destin gabonais, magazine spécial historique, Libreville: 92.

 
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 30.11.2010
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