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Das goldene Jubiläumsjahr ist noch nicht zu Ende

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Eintrag vom 26. Oktober 2010
Helen U. Okafor


Das zentrale, von der Regierung geplante Programm zum 50. Jubiläum der Unabhängigkeit des Landes ist nun eigentlich vorbei. Doch bis zum nächsten Unabhängigkeitstag am 1. Oktober 2011 sind in Nigeria weitere Veranstaltungen anlässlich des Goldenen Jubiläums geplant und viele reguläre Ereignisse werden einfach diesem historischen Datum gewidmet.

Foto: Helen U. OkaforDas betrifft auch die beiden großen nationalen Kulturfestivals in Nigeria, das NAFEST und den Abuja Karneval. Das NAFEST 2010 - National Festival of Arts and Culture - findet momentan in Uyo statt, der Hauptstadt von Akwa Ibom State im Süden des Landes. Zum ersten Mal wurde dieses Fest im Jahre 1975 veranstaltet. Es soll dazu beitragen, das offizielle Konzept der "nationalen Kultur" umzusetzen. Inzwischen findet das Festival jährlich statt, immer in den Hauptstädten wechselnder Bundesstaaten. Auch der Abuja Karneval steht 2010 ganz im Zeichen des Jubiläums. Vom 27.-30. November wird er unter dem Motto "Jubilee Carnival" gefeiert. Der Abuja Karneval findet dieses Jahr zum 6. Mal statt und wurde von der Regierung etabliert, um die besondere Bedeutung der Hauptstadt als "Zentrum der Einheit" hervorzuheben.

Beide Festivals wollen die kulturelle Vielfalt in Nigeria darstellen und zugleich die nationale Einheit fördern. Dr. Lizi Ben-Iheanacho, die Chefin der Forschungsabteilung beim National Council for Arts and Culture, erläuterte mir in einem Interview die Aufgabe der beiden nationalen Festivals folgendermaßen:

"Foto: Helen U. OkaforDer Abuja Karneval feiert Nigeria sowie die vielseitige und lebendige Kultur im Land. Für Touristen ist es nicht möglich, alle Regionen zu bereisen und den ganzen Reichtum und die Vielseitigkeit Nigerias kennenzulernen. Der Abuja Karneval präsentiert Nigeria an seinem besten Standort, und das ist Abuja. […] Dadurch bekommt der Besucher einen Einblick in die Vielfalt, die uns auszeichnet. Jeder Bundesstaat in Nigeria erhält hier die Möglichkeit, einen Ausschnitt seiner Kultur zu präsentieren. Der Abuja Karneval dient als Portal, durch das jeder Staat sich in seinem besten Licht präsentieren kann - in der Hoffnung, die Touristen dafür zu begeistern, in die jeweilige Region zu reisen, um die ganze Vielfalt der jeweiligen Kultur zu ergründen. Mit einem Besuch des Abuja Karnevals kann man das ganze Nigeria sehen, seine kulturelle Diversität, die kulturellen Erscheinungsformen und den historischen Hintergrund. […]

Beide Festivals [Abuja Karneval und NAFEST] feiern Nigeria. Nigeria ist von religiöser und ethnischer Pluralität gekennzeichnet. Die Aufgabe, Nigeria mit seiner Diversität zusammenzuschweißen, hat höchste Priorität. NAFEST zelebriert die nigerianische Einheit, indem das Gastgeberrecht rotiert. Der Abuja Karneval zelebriert die nigerianische Einheit, indem er die einzelnen Staaten zum Zentrum der Einheit, nämlich Abuja, bringt. Das Ziel ist dasselbe, nur der Weg dorthin divergiert."

Foto: Helen U. OkaforBeide Festivals betonen also das Konzept von "unity in diversity", das die nigerianische Kulturpolitik verfolgt. Die Darstellung der kulturellen Diversität soll die nationale Einheit stärken und damit zum besseren Verständnis zwischen den unterschiedlichen Ethnien beitragen. Nicht zuletzt, um diese Herausforderung zu bewältigen, nämlich die nationale Einheit eines Landes mit 250 verschiedenen Ethnien zu erhalten und die Folgen des Biafra-Kriegs (1967-1970) zu bewältigen, sollte das Goldene Jubiläum gefeiert werden, so Frau Ben-Iheanacho. Doch sie kritisiert auch, dass die Regierung es in den letzten Jahren versäumt habe, die Bevölkerung für diese Thematik zu sensibilisieren. Der Bezug zur Geschichte des Landes werde nicht gestärkt und deshalb habe der Großteil der nigerianischen Bevölkerung keine persönliche Verbindung zu den Unabhängigkeitsfeiern.

Foto: Helen U. OkaforIm Zentrum der aktuellen Medienberichterstattung stehen allerdings weiterhin eher die bevorstehenden Wahlen als die Geschichte des Landes. Debattiert wird insbesondere, ob der Vorsitzende der Wahlkommission (Independent National Electoral Commission), Attahiru Jega, tatsächlich faire Wahlen garantieren kann - eine brennende Frage, nicht zuletzt weil so gut wie alle bisherigen Wahlen in Nigeria von einem Großteil der Bevölkerung als undemokratisch kritisiert wurden. Gegenwärtig ist die Rede von Einschüchterungsversuchen gegenüber verschiedenen Bevölkerungsgruppen, aber auch von fehlenden Wahlregistern und von Wahlurnen, die verschwunden oder gar nie vorhanden gewesen seien.

Foto: Helen U. OkaforWeiterhin wird viel über die Vorwahlen diskutiert, die die Auswahl der Präsidentschaftskandidaten im Vorfeld reglementieren. So bestimmt bspw. das parteiinterne "zonal agreement" der seit 1999 regierenden Partei PDP (People’s Democratic Party) die Aufstellung der Kandidaten unter Berücksichtigung ihrer geografischen Herkunft. Vor dem Hintergrund dieses Abkommens, das aber keineswegs alle Parteimitglieder anerkennen, wird Präsident Jonathans Vorhaben, noch einmal zu kandidieren, kritisch diskutiert. Jonathan selbst nämlich stammt aus dem Süden, laut "zonal agreement" sollte aber ein Kandidat aus dem Norden nominiert werden.

Foto: Helen U. OkaforIm täglichen Leben sind die Feierlichkeiten noch präsent. Im Fernsehen und Radio laufen noch immer diverse Jingles und Dokumentationen zum Goldenen Jubiläum. Einige nigerianische Musiker haben Songs zum 50. Jahrestag komponiert. Das offizielle Logo sowie "Congratulations"-Sprüche prangen noch an vielen Orten in Abuja. Sie sind an den Eingängen zu Parks oder an den Fassaden verschiedener staatlicher Institutionen zu finden, aber auch auf riesigen Leinwänden an den Hotels, wie dem Transcorp Hilton und dem Sheraton, auf Werbetafeln im Straßenbild der Hauptstadt und auch auf bunten Ballons mit verschiedenen Motiven.

Die Verantwortlichen der Feierlichkeiten bemühen sich um Nachhaltigkeit: Das von der Regierung geplante Kompendium zu Nigeria@50, das in den nächsten Wochen erscheinen wird, soll ein Standardwerk werden, das die Geschichte des Landes aufarbeitet. Es bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich konsensfähig ist − über die erstrebenswerte politische Zukunft zumindest sind sich die Nigerianer im Vorfeld der Wahlen nicht einig.

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 07.11.2010
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