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"Nigeria@50" - Wirklich nichts zu feiern?

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Eintrag vom 18. September 2010
Eva Grimm


Nur noch zwölf Tage bis zum 1. Oktober, dem 50. Geburtstag Nigerias. In Keffi, der Stadt unseres fürsorglichen Gastgebers, ist von Feierlaune bisher nichts zu spüren, und immer wieder habe ich in den vergangenen Wochen gehört, dass es auch nicht viel zu feiern gebe. Seit ein paar Tagen ist es zu einem etwas traurigen Scherz geworden, dass unser Gastgeber die ständigen Stromausfälle mit der Aussage: "Nigeria@50" kommentiert. Wenn ich das Budget von über sechs Mrd. Naira (32 Mio. Euro) erwähne, das die Regierung für die Feiern bereitgestellt hat, bekomme ich manchmal wütende Kommentare zu hören. Meistens schimpfen meine Gesprächspartner, dass dieses Geld besser für die Entwicklung von Elektrizität, Infrastruktur, Bildung und Sicherheit verwendet werden sollte. Die Feiern in der Hauptstadt Abuja - so ein Journalist der Tageszeitung Nigerian Tribune - würden sich ohnehin nur an jene richten, die von der bestehenden Situation in Nigeria profitieren: Politiker, die sich am Ende einen Teil des Geldes in die eigenen Taschen stecken würden. Fast alle Tageszeitungen vermitteln diese skeptische Stimmung. Mit 50 Jahren sollte Nigeria eigentlich erwachsen sein, stolpere aber noch wie ein Kleinkind, kommentiert etwa die Nigerian Tribune. Zudem wird die Berichterstattung in den Zeitungen zu Nigeria@50 derzeit überlagert von einem anderen Thema, das ausführlich diskutiert wird: den Wahlen im Januar 2011.

In der Hauptstadt Abuja begann am Dienstag, den 14. September, mit einem Jubiläumsvortrag über die Auswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnologie für Nigeria eine dreiwöchige Veranstaltungsreihe zur Feier des 50. Geburtstages der Nation (siehe auch Bericht von Helen Okafor vom 19. September). In den vergangenen Wochen hatte ich bei verschiedenen Institutionen versucht, die Erlaubnis zu erhalten, mich Reportern bei ihrer Berichterstattung anzuschließen (lokale Journalisten zu begleiten und ihre Perspektive zu erkunden, ist der Plan für meine Forschung über die Nigeria@50-Feierlichkeiten). Immerhin konnte ich eine Einladung für den Jubiläumsvortrag ergattern und erhielt die Zusage, dass ich einen Reporter der News Agency of Nigeria (NAN) begleiten dürfte.

So saß ich dann am Dienstagmorgen im Wagen unseres Gastgebers auf dem Weg nach Abuja. In der Hand hielt ich die Einladung, auf schwerem, grünem Hochglanzpapier gedruckt, und rutschte nervös auf meinem Sitz hin und her, während ich über die lange Schlange von hupenden Autos vor uns spähte. Die Straßen nach Abuja sind unberechenbar: Es gibt jeden Tag Stau, weil sich viele Leute, die in der Stadt arbeiten, die teuren Wohnungen in Abuja nicht leisten können. Der Vortrag sollte um elf Uhr beginnen, und wir steckten ab zehn Uhr im Stau. Bis auf die Fahrzeugschlange, die an diesem Tag besonders lange war, sah auf dem Weg alles aus wie immer - kein Hinweis auf Nigeria@50.

Mit einstündiger Verspätung kam ich am Veranstaltungsort an - und stellte fest, dass das Programm noch gar nicht angefangen hatte. Der Vortrag fand im Internationalen Konferenzzentrum statt, das genauso aussieht, wie sich der Name "International Conference Centre" anhört: Es ist ein weißes, neues Gebäude mit ausladendem Eingang und rotem Teppich davor, und alles wirkt ganz neu und schick. Am Eingang standen ein paar uniformierte Sicherheitsmänner. Meine Einladung wollte aber gar niemand sehen, stattdessen wurde ich zu einem Ehrenplatz geführt, der eigentlich für eine andere Person reserviert war. Ich gesellte mich aber lieber zu dem NAN-Reporter, der mich zum Glück gleich entdeckte und mir von der anderen Seite der Halle aus zuwinkte. Und dann saß ich plötzlich genau da, wo ich hinwollte: inmitten von Radio-, Fernseh-, und Zeitungsreportern, die mich neugierig in ihrer Mitte aufnahmen. Der Saal war allerdings nicht gerade überfüllt, und es fühlte sich fast ein bisschen so an, als würde die Veranstaltung vor allem für die Presse abgehalten. Als ich meinen Sitznachbarn Stanley, der für den staatlichen Radiosender Voice of Nigeria arbeitet, auf den roten Teppich vor der Halle ansprach, erklärte er mir, dass Vizepräsident Mohammed Namadi Sambo erwartet werde. Abgesehen davon, dass nicht der Vizepräsident über den roten Teppich schritt, sondern ein Minister, der ihn vertrat, und trotz der einstündigen Verspätung war der Ablauf der Veranstaltung klar strukturiert. Zur Eröffnung wurden die Ehrengäste vorgestellt. Anschließend wurde die Nationalhymne gespielt. Die Melodie zu "Arise, oh compatriots", die aus den Lautsprecherboxen schallte, veranlasste alle im Saal aufzustehen. Ich erfuhr, dass das Aufstehen beim Spielen der Nationalhymne in Nigeria per Gesetz vorgeschrieben ist.

Vor dem Rednerpult hatte sich derweil eine Reporter-Schar versammelt, die jedes Mal in Bewegung kam, wenn ein neuer Redner an das Pult trat - sie wollten ihn aus dem besten Winkel fotografieren und filmen. Die Veranstaltung wurde vom staatlichen Fernsehsender NTA live übertragen. In einer (aber offenbar nur auf mich) überschwänglich wirkenden Einführung stellte die Informationsministerin den geladenen Redner, Fidelis N. Umeh, als einen "in der Diaspora lebenden ICT-Experten" vor. Warum ausgerechnet er anlässlich der Feier von 50 Jahren Unabhängigkeit über die Informations- und Kommunikationstechnologie referierte, erläuterte Umeh selbst. Er sei einer der 24 Studenten gewesen, die in den Genuss eines der Stipendien kamen, die amerikanische Universitäten der neuen nigerianischen Regierung zur Erlangung der Unabhängigkeit geschenkt hatten.

Umeh schloss seine Rede mit dem Ruf "God bless Nigeria", und es folgten ein christliches und ein muslimisches Gebet. Zum anschließenden Buffet ließ ich mich dann gern verführen, vor allem, um mit meinen Journalisten-Begleitern noch weiter reden zu können. Und während wir uns in der Schlange vor dem Essen drängelten, schallte aus den Boxen neben uns das "Nigeria@50"-Jingle mit der Aufforderung: Nigeria@50 - celebrate!

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 07.11.2010
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