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Nothing to celebrate?!

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Eintrag vom 5. Oktober 2010
Eva Grimm


Am 1. Oktober sollten die Feiern zum 50-jährigen Jubiläum der nigerianischen Unabhängigkeit auf dem Eagle Square in Abuja ihren Höhepunkt finden. Doch statt fröhliche Schulkinder und marschierende Soldaten zeigten die Titelseiten der Zeitungen am folgenden Tag Schreckensbilder von blutenden Menschen und brennenden Autos. Mindestens acht Frauen und Männer kamen ums Leben, als unweit des Eagle Square um etwa 11 Uhr morgens zwei Autobomben ein deutliches Zeichen setzten – "nothing to celebrate"! Die Befreiungsbewegung MEND aus dem Süden des Landes habe sich für den Anschlag verantwortlich erklärt, wohingegen das FBI vor Angriffen durch Al-Quaida innerhalb des Landes gewarnt habe, berichten die Zeitungen The Nation und Nigerian Tribune.

In der Nacht zum 1. Oktober wurden die Straßen auf dem Weg zum Eagle Square in Abuja mit grünen und weißen Wimpeln und Stoffbannern dekoriert. Am Morgen des Unabhängigkeitstags schien die ganze Stadt zu dem Platz zu ziehen. Es waren so viele Menschen unterwegs, dass der Taxifahrer sich weigerte, mich und den Reporter, mit dem ich unterwegs war, direkt zum Eagle Square zu fahren. Wir schlängelten uns also das letzte Stück zu Fuß durch die Menge und kauften noch zwei Schalen Reis bei einer der Verkäuferinnen, die heute sehr zahlreich die Straße säumten. Es fing an zu regnen.

Als wir um kurz vor 10:00 Uhr den Platz erreichten, konnte man über die Lautsprecher schon die ersten Befehle eines Generals hören, der seine Marschtruppe anleitete. Wir begaben uns auf die Suche nach einem Eingang und wurden trotz unseres Presseausweises immer wieder weiter geschickt, bis wir endlich beim dritten Versuch von einem der Sicherheitsmänner aus dem Menschenandrang vor dem Tor herausgefiltert wurden. Wir machten uns auf den Weg zu einer der Plattformen, die in den Ecken des Platzes für Fotografen und Kameramänner aufgestellt worden waren, verließen sie aber bald wieder, da der Boden begann, sich gefährlich abzusenken. Stattdessen erkämpften wir uns einen Platz auf einer der normalen Zuschauertribünen.

Auf dem Platz hatte mittlerweile die Zeremonie begonnen. Uniformierte Soldaten defilierten zur Marschmusik des Orchesters und Army, Navy, Airforce und Polizei präsentierten, was sie zuvor tagelang auf dem Platz geprobt hatten. Es folgten marschierende Kinder, die stolz die Flaggen ihrer Schulen trugen. Anschließend formten mehr als 1.500 Schüler mit ihren Körpern Schriftzüge wie "United Nigeria" und "Good People, Great Nation". Vor uns jubelte und applaudierte das Publikum begeistert.

Um etwa 11:30 Uhr wurde mein Begleiter angerufen und erhielt die Nachricht, dass nahe dem Eagle Square eine Bombe explodiert war. Dass dabei Menschen getötet wurden und dass der Ort des Anschlags nur 1.000 Meter von uns entfernt war, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Um uns herum veränderte sich nichts und die Zeremonie auf dem Eagle Square ging ungerührt weiter. Der Präsident verlieh zum Abschluss Medaillen an die Militäroffiziere, bevor der Moderator Major Abara die Parade beendete, indem er das Publikum aufforderte, noch so lange sitzen zu bleiben, bis der Präsident und die Ehrengäste in ihre Fahrzeuge gestiegen seien.

Die Unity Torch, die nicht entzündet wurde (Foto: Eva Grimm)Das Publikum war tatsächlich immer noch sehr ruhig. Hätte ich nicht gewusst, dass der Präsident eigentlich noch eine "Unity Fackel" hätte anzünden sollen, wäre mir das Programm womöglich völlig normal erschienen. Auch anschließend leerte sich der Platz eher langsam und man konnte noch bis in den späten Nachmittag Menschen auf den Tribünen sitzen sehen, die ihren freien Tag dort genossen.

Unser Tag entwickelte sich hingegen in eine andere Richtung. Ausgehen war nicht mehr sicher, also wollten wir noch durch die Stadt fahren, um ein Stimmungsbild einzufangen. Stattdessen fuhren wir dann aber zum Haus der Ministerin für Information und Kommunikation, die eine Stellungnahme abgab, in der sie als Repräsentantin der Regierung den Anschlag verurteilte. Es sei ein sehr trauriges Ereignis, sagte sie. Doch wenn es darauf abgezielt haben sollte, die Freude der Feiern zu zerstören, sei das nicht gelungen – es gibt also noch immer Grund zu feiern?!

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 07.11.2010
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