Logo Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Flagge von Benin

Kontakt Kontakt
Maximilian Mauer
Tel +229 66044508
E-Mail

Julius Liebisch
Tel +229 66237215
E-Mail

Marie-Christin Gabriel
Tel +229 93877536
E-Mail



Vor-Ort-Berichte Vor-Ort-Berichte

Une fête modeste - eine bescheidene Feier

zur BENIN-Projektseite

Eintrag vom 12. Juni 2010
Marie-Christin Gabriel, Julius Liebisch, Maximilian Mauer

 

"Dear ladies and gentlemen, we are about to arrive in Cotonou…" Die Stimme des Flugkapitäns reißt uns aus dem unruhigen Halbschlaf. Es ist dunkel draußen, 2:30 Uhr morgens. Die Stadt, diese Stadt, die uns für die nächsten Monate Heimat sein soll, ist erstarrt zu einem Meer aus vielen vielen kleinen Lichtern. Sie macht den Eindruck, als schlafe auch sie noch. Das Flugzeug senkt sich allmählich und mit einem kurzen, aber heftigen Ruck landen wir. Cotonou.

Foto: Marie-Christin GabrielNun sind bereits zwei Wochen ins Land gezogen, zwei Wochen voller Eindrücke von diesem pulsierenden und lebendigen Land und seinen Menschen. Einer dieser Menschen empfängt uns am Flughafen. Sein Name ist Victor. Er wird uns in den nächsten Tagen kaum von der Seite weichen und uns ausgiebig von der Geschichte seiner Heimat erzählen. Nach einer abenteuerlichen Taxifahrt, die ewig zu dauern scheint und uns den wohltuenden Luxus eines Stoßdämpfers zu ehren lernt, erreichen wir das Hotel, das vorerst unsere Bleibe sein soll. Erschöpft, aber überglücklich fallen wir in den Schlaf, während uns der Flugkapitän - als sei die Erkenntnis zu uns noch nicht durchgedrungen - weiter ins Ohr säuselt: "Dear ladies and gentlemen, we are about to arrive in Cotonou…"

"La fête ne sera pas extraordinaire. Il y aura une fête modeste…" (das Fest wird nicht außerordentlich, es wird eine bescheidene Feier geben...) Wir sitzen im Büro von Marcel Codjo, dem Vorsitzenden des von der Regierung eingesetzten Comité National des Fêtes et Manifestations Officielles (CONAMO) in Cotonou. Codjo, ein Mann von stattlicher Statur, im traditionellen boubou gekleidet, dem eine "delegation allemande" angekündigt wurde, begrüßt uns erstaunt. Es scheint, als entspräche seine Vorstellung einer "delegation" nicht dem, was nun vor ihm sitzt: drei deutsche Studenten in T-Shirt und Shorts. Wird er uns ernst nehmen? Zögerlich und nervös stellen wir uns vor. "Nous sommes…eh…trois étudiants allemands…eh..." Codjo sitzt mit unbewegter Miene vor uns. Schweißperlen bilden sich auf unserer Stirn, sämtliche Big Men, von denen wir im Studium gelesen und gehört haben, werden vor unserem geistigen Auge ob seiner imposanten Erscheinung zum Leben erweckt, Maximilian Mauer (l.) und Julius Liebisch (r.), Foto: Marie-Christin GabrielSpannung liegt im Raum. Wir schließen unsere kurze Präsentation, Stille. Doch was ist das? Codjos Gesichtszüge regen sich. Ein Lächeln. Er holt tief Luft und setzt zu einem ausschweifenden Monolog zu den Vorbereitungen des Cinquantenaire an. Er erklärt uns, dass dem CONAMO drei Aufgabenbereiche unterstehen: die Überwachung zahlreicher Baumaßnahmen im Veranstaltungsort Porto-Novo, die konkrete Planung der Feierlichkeiten rund um den 1. August 2010 und die Organisation einer "manifestation intellectuelle", die sich kritisch mit der Vergangenheit und Zukunft Benins auseinandersetzen soll. Erstaunlich ist, dass Codjo nicht müde wird zu betonen, dass die Feier zum 1. August an sich bescheiden ausfallen soll. Es gebe wesentlich dringendere Investitionsfelder, der sich die Regierung anzunehmen habe. Letztendlich, so hören wir von ihm, wird das Cinquantenaire natürlich feierlich zelebriert werden, aber keineswegs im pompösen Stil. Man wolle nicht an dem großen Wetteifern anderer afrikanischer Staaten teilnehmen. Codjo, der sichtbar Gefallen an unserem Projekt findet, spricht sich sogar dafür aus, einen von uns an den Vorbereitungen von CONAMO teilhaben zu lassen. Das Gespräch neigt sich dem Ende und wir verlassen voller Euphorie Codjos Büro. "Ça marche", denken wir uns, "das läuft", als wir uns wieder im Gedränge der verstopften Strassen Cotonous befinden. Endlich.

Foto: Marie-Christin GabrielWenige Tage zuvor. Cotonous Werbeflächen sind gelb, MTN-gelb. MTN, ein großer Telekommunikationskonzern, pflastert die ganze Stadt mit Werbung rund um die Weltmeisterschaft. Das Cinquantenaire ist erst spärlich präsent. Wir finden lediglich zwei Banner am Place des Martyrs, dem Märtyrerplatz. Eines preist einen Kunstwettbewerb für Schüler und Studenten an, der sich mit dem Thema der 50-jährigen Unabhängigkeit beschäftigt. Auf dem anderen verkündet die Handelsgesellschaft ABePEC "La Foire du Cinquantenaire de l'Indépendance au Bénin", eine Messe mit Konferenzen, Ausstellungen und Spielen, unter der Schirmherrschaft des Präsidenten und des Wirtschaftsministeriums. Zwei Monate vor dem 1. August ist dies alles, was wir finden können. Wir vertrösten uns auf die Zeit nach der Weltmeisterschaft und hoffen auf weniger gelbe MTN-Plakate.

Nach dem Besuch beim CONAMO beschließen wir einen ersten Ausflug nach Porto-Novo, um uns dort ein Bild über den Stand der Vorbereitungen zu machen. Auch hier ist MTN omnipräsent und doch: Die Stadt ist in Bewegung. Straßen werden saniert, überall Kräne und Bagger, zahlreiche neue Gebäude wachsen in den Himmel. Das Cinquantenaire nimmt Gestalt an. Der nationale Fernsehkanal ORTB berichtet ebenfalls über das Voranschreiten der Vorbereitungen. Am Place de l'Indépendance finden wir ein großes Banner, das die verbleibenden Tage bis zum Cinquantenaire herunterzählt. Noch 56 Tage blitzt dort in großen roten Lettern. 56 Tage. Es macht den Eindruck, als sei Porto-Novo Cotonou schon einen Schritt voraus. 

Foto: Marie-Christin GabrielNoch auf dem Rückweg nach Cotonou soll unser voreilig gefasstes Urteil korrigiert werden: In Nähe des Stade de l'Amitie stoßen wir auf die Ausstellung "Raconte moi l'Indépendance" ("Erzähl mir von der Unabhängigkeit") der Fondation Zinsou, die wie auf unser Projekt zugeschnitten scheint. Ein kleiner Containerkomplex birgt eine erstaunliche Masse an Informationen zur Unabhängigkeit und Geschichte Benins. Wir drei Mainzer tauchen mit großem Engagement in die Vergangenheit Benins ein. Ganz im Gegensatz zu den ebenfalls anwesenden Schülern, die wohl nicht freiwillig vor Ort sind. Zufriedenheit macht sich breit, als wir diesen interessanten Ort wieder verlassen. Anscheinend bereitet sich auch Cotonou langsam, aber sicher auf den 1. August vor.

Wir blicken in den Himmel und erkennen ein Flugzeug im Landeanflug. Eine Stimme flüstert sanft: "Dear ladies and Gentlemen, we are about to arrive in Cotonou…" Wir schmunzeln. Danke, Herr Kapitän. Sie können getrost weiterfliegen. Wir sind da!

zur BENIN-Projektseite

 
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 01.09.2010
  Zum SeitenanfangZum Seitenanfang
Zum Inhalt der Seite springen Zur Navigation der Seite springen