Logo Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Flagge von Benin

Kontakt Kontakt
Maximilian Mauer
Tel +229 66044508
E-Mail

Julius Liebisch
Tel +229 66237215
E-Mail

Marie-Christin Gabriel
Tel +229 93877536
E-Mail



Vor-Ort-Berichte Vor-Ort-Berichte

Endstation der "Karawane des Cinquantenaire" erreicht

zur BENIN-Projektseite

Eintrag vom 27. Juli 2010
Marie-Christin Gabriel


Ein Polizeiwagen rast mit Volltempo und heulenden Sirenen durch die Straßen Cotonous, gefolgt von drei weißen VW-Bussen. Die Menschen auf den Straßen bleiben stehen und schauen dem wilden Gespann hinterher. Ratlosigkeit steht auf ihren Gesichtern geschrieben. "Was ist denn hier los?" Die "Caravane du cinquantenaire. Le tour du Bénin en 50 jours", die "Karawane des Cinquantenaire. Eine Reise durch Benin in 50 Tagen", hält Einzug in der Hauptstadt.

Foto: Boniface Fanon

Der umgekehrte Blick aus den Bussen hinaus: 45 müde, hungrige Menschen schauen auf die Straßen Cotonous. Autos, Lärm, Menschenmengen - das alles ist ihnen ein vertrauter Anblick. Es sind die Heimkehrer, die nach drei Wochen der rastlosen Karawane nun ihr Zuhause erblicken. Der Gedanke, sich nun nicht mehr jeden Tag um eine Unterkunft und die Nahrungsmittelbeschaffung sorgen zu müssen, verleiht ihnen ein Glücksgefühl. Cotonou, die lang ersehnte Oase in der Wüste, die Endstation der Karawane ist erreicht.

Hier in Cotonou hat alles angefangen. Die NGO "Réseau des organisations de la lutte contre le chômage" (ROLCC), das "Netzwerk der Organisationen des Kampfs gegen die Arbeitslosigkeit", plante anlässlich des Cinquantenaire eine Karawane, die in fünfzig Tagen durch ganz Benin reisen sollte und dabei drei Absichten verfolgte. Sie sollte erstens einen Dialog mit der Jugend Benins eröffnen. Dabei ging es um einen kritischen Blick auf fünfzig Jahre Unabhängigkeit und die aktuelle Situation Benins mit ihren vielfältigen Herausforderungen und darum, dass die Jugendlichen die Zukunft des Landes gestalten werden. Aber auch die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen sollte auf Konferenzen und in Debatten thematisiert werden. Zweitens sollte die Karawane die Feier des Cinquantenaire ins ganze Land tragen und auch in den ländlichen Regionen des Landes für die Jugendlichen ein Fest bieten. Und schließlich sollte die Karawane die nationale Einheit fördern. Hierfür wurde eine Flagge der nationalen Einheit entworfen, eine gelbe Stofffahne, auf der die 37 ausgewählten Stationen der Karawane geschrieben stehen. Mit seiner Unterschrift auf der Fahne soll jeder Bürgermeister dieser Stationen seine Unterstützung für die Karawane und den Willen zur nationalen Einheit symbolisieren.

Vom "Comité national des fêtes et manifestations officielles" (CONAMO) autorisiert und von den beiden Nichtregierungsorganisationen "Initiative Bénin 2011" und CEVOPI Formation finanziell unterstützt, konnte die Karawane losziehen - und ich hatte die Chance, dabei mitzufahren. Nach einer Eröffnungsveranstaltung im Stadion der Freundschaft am 19. Juni, zu der auch Präsident Yayi Boni eingeladen war (der sich allerdings vertreten ließ), begann die Karawane ihre Foto: Marie-Christin GabrielReise zu 37 ausgewählten Städten. Dabei fand an fünfzehn Orten ein mehrtägiges Programm statt, in den restlichen Orten wurde lediglich ein kürzerer Halt gemacht, um den Bürgermeistern das Projekt vorzustellen und die Flagge der nationalen Einheit unterzeichnen zu lassen.

Das Programm in den fünfzehn ausgewählten Stationen folgte immer demselben Muster. Sobald die Busse die Stadtgrenze erreichten, erwartete uns eine Polizeieskorte, die uns zur Bürgermeisterei geleitete. Hier wurde den Stadtoberhäuptern das Projekt vorgestellt, die Fahne unterzeichnet und eine Herberge für uns gesucht. Anschließend zogen wir in Begleitung einer lokalen Musikkappelle tanzend und mit Megaphon durch die Straßen, um unsere Ankunft zu verkünden. Dann hieß es fast immer: warten, warten, warten. Bis wir eine Herberge gefunden hatten, war es meist schon dunkel. Erschöpft von der Hitze, der Reise und dem Warten war die Freude groß, endlich Schlaf zu finden. Am darauffolgenden Morgen fand dann meist eine Konferenz zu den Themen Bildung, Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Umwelt und Foto: Marie-Christin GabrielGeschichte statt. Die Konferenzen waren mehr oder weniger gut besucht. Sie fielen gegen Ende der Karawane allerdings immer öfter aus, denn die Fußball-Weltmeisterschaft schien eine willkommenere Abwechslung als die Debatten über die Unabhängigkeit.

An den Abenden fanden dann Konzerte statt. Für diese hatte ROLCC einige Künstler angeheuert, darunter unter anderem der Sänger Boss, der die Hymne der Karawane "L’union fait la force", "Einheit ist Stärke" zum Besten gab. Gleichzeitig konnten lokale Künstler bei den Auftritten mitwirken, und es wurden Tanzwettbewerbe und Ratespiele veranstaltet. Die Kinder und Jugendlichen waren meist begeistert und schnipsten eifrig mit den Fingern. Wenn das Programm gegen Mitternacht sein Ende fand, waren die Jugendlichen enttäuscht, wollten sie doch weiter singen, tanzen und spielen. Wir hingegen freuten uns auf ein Bett oder auf eine Matte, sprich ein paar Stunden Schlaf, bevor es am nächsten Morgen früh, viel zu früh, zum nächsten Ort weiterging.

In den Orten, in denen kein Programm stattfand, wurde lediglich die Flagge unterschrieben. Der Koordinator der Karawane, Maurice Gbemenou, stellte den Bürgermeistern das Projekt vor, woraufhin diese ihre Begeisterung ausdrückten und die Fahne signierten. Der mitreisende Fotograf machte die obligatorischen Fotos, und im besten Falle erhielten wir von den StaFoto: Marie-Christin Gabrieldtoberhäuptern eine kleine finanzielle Unterstützung - eine wichtige Einnahmequelle der Karawane, die sich aus eigenen Mitteln und wenigen Sponsoren finanziert.

Lediglich in Seme-Podji, zwischen Cotonou und Porto Novo gelegen, weigerte sich der Bürgermeister strikt, uns zu empfangen: Wir standen vor verschlossenen Türen. Auf vehementes Klopfen und Klingeln gab es keine Reaktion. Die Karawanenführer waren empört und verließen lautstark schimpfend die Bürgermeisterei. Aus welchen Gründen sich der Bürgermeister Seme-Podjis so verhielt, können wir uns bis heute nicht erklären.

Doch bereits auf dem kurzen Rückweg nach Cotonou verzog sich der Ärger und die Karawane fieberte nun ihrem Höhepunkt entgegen. Am 31. Juli soll die Flagge der nationalen Einheit an den Präsidenten Yayi Boni überreicht werden. Dieser Plan ist derzeit allerdings gefährdet. Da die Busfahrer der Karawane noch nicht bezahlt wurden, haben sie kurzerhand die Flagge der nationalen Einheit entwendet und wollen diese erst zurückgeben, sobald sie ausgezahlt sind - hinsichtlich der chronischen Geldprobleme der Karawane ein heikles Anliegen. Außerdem wollen die Teilnehmer der Karawane an der "Nacht der Unabhängigkeit" teilnehmen, in der zahlreiche Konzerte und andere kulturelle Events stattfinden sollen, und auch bei der Zivilparade am 1. August dabei sein. Doch auch dies ist noch unsicher. Die Organisatorin der Zivilparade, Frau Falade, teilte kürzlich mit, dass keine weiteren ministeriellen Mittel für Teilnehmer zur Verfügung stehen. Es bleibt also abzuwarten. Am kommenden Freitag, den 29. Juli, wird eine Versammlung der Karawanenteilnehmer stattfinden, um die aktuelle Situation zu beratschlagen.

zur BENIN-Projektseite

 

 
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 01.09.2010
  Zum SeitenanfangZum Seitenanfang
Zum Inhalt der Seite springen Zur Navigation der Seite springen