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Ein Labyrinth voller Komitees? - Teil I

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Eintrag vom 10. Juli 2010
Maximilian Mauer


Countdown am Stadteingang Porto-Novo, Foto: Marie-Christin GabrielNoch 22 Tage bis zum großen Ereignis. Das fünfzigjährige Jubiläum der Unabhängigkeit Benins rückt näher. Seit mittlerweile einer Woche begleite ich nun schon das Comité national des fêtes et manifestations officielles (kurz: CONAMO) bei seiner täglichen Arbeit. Auch wenn ich noch Schwierigkeiten habe, alle Einzelheiten der Organisation zu verstehen, will ich hier doch einen ersten Blick auf die staatlichen Institutionen werfen, die für die Organisation der Feiern verantwortlich sind: 1. das CONAMO, 2. das Comité de suivi des travaux de construction des infrastructures der Regierung und schließlich 3. die Stadtverwaltung (mairie) von Porto Novo.

CONAMO ist eine staatliche, politisch neutrale Institution, die seit Jahrzehnten existiert. Ein genaues Gründungsjahr konnte mir der Leiter allerdings nicht nennen. CONAMO ist für die Durchführung sämtlicher nationaler Feiern verantwortlich. Der Begriff "Nationalfeier" ist in diesem Zusammenhang sehr weit definiert. Es handelt sich nicht nur um nationale Gedenktage wie zum Beispiel den 1. August, sondern auch um Ereignisse, die der Präsident spontan zu nationalen Feiertagen erklärt. So geschehen vor einigen Wochen, als der oberste Priester der himmlischen Christen (Église du christianisme céleste, eine religiöse Glaubensgruppe in Benin), Benoit Agbaossi, verstarb und CONAMO kurzerhand vom Präsidenten mit der Organisation einer nationalen Gedenkfeier beauftragt wurde.

Eine offizielle Delegation zu Besuch auf den Baustellen in Porto-Novo, Foto: Marie-Christin GabrielDas Komitee besteht aus lediglich sechs Mitarbeitern unter Leitung von Marcel Kodjo und ist der koordinierende Knotenpunkt der Vorbereitungen für das Cinquantenaire. CONAMO delegiert und kontrolliert die zu erledigenden Arbeiten an die einzelnen Ministerien. Das heißt: Das Verkehrsministerium führt die notwendigen Bauarbeiten in Porto Novo aus, das Kultusministerium organisiert die zivile Parade, das Gesundheitsministerium sorgt für die medizinische Vorsorge usw. CONAMO lädt regelmäßig zu Versammlungen aller beteiligten Akteure, um sich über den Stand der Vorbereitungen zu informieren.

Da CONAMO zu politischer Neutralität verpflichtet ist, hat Präsident Yayi Boni 2009 zusätzlich ein eigenes Komitee (Comité de suivi des travaux de construction des infrastructures) unter Leitung seines Generalsekretärs Edouard Ouin-Ouro eingerichtet. Dadurch entsteht eine politisch brisante Konstellation, in der drei verschiedene Institutionen (CONAMO/Ministerien, Regierungskomitee und die Bürgermeisterei der Hauptstadt Porto Novo) die Inhalte des Cinquantenaire aushandeln. Auch wenn das Regierungskomitee offiziell nur für die Überwachung der im Rahmen der Feier durchzuführenden Baumaßnahmen in Porto Novo zuständig ist, mischt es sich doch immer wieder auch in konkrete Programmpunkte des 1. Augusts ein.

Für diese Problematik gibt es auch ein eindrucksvolles Beispiel. Am 8. Juli nahm ich in Porto Novo an einer Versammlung teil. Bei dieser Gelegenheit trafen sich etwa sechzig Vertreter aller an der Feier partizipierenden Institutionen, also Vertreter der Ministerien, des Bürgermeisteramtes von Porto Novo, des Militärs, der Nationalpolizei, der Regierung, von CONAMO und viele andere. CONAMO-Chef Kodjo informierte die Anwesenden über den aktuellen Stand der Vorbereitungen und darüber, dass Staatspräsident Yayi Boni persönlich die Order gegeben habe, Modifizierungen an der Parade vorzunehmen. Streitpunkt waren die Majoretten, die bisher jedes Jahr am Unabhängigkeitstag auftreten. Dies ist eine große Gruppe Jugendlicher, die aufwendige Choreographien, welche Schriftzüge (z.B. Vive l’Indépendance) oder nationale Symbole darstellen, inszeniert. Die Majoretten, die von chinesischen Tanzlehrern trainiert werden, sind eines der Highlights jeden 1. Augusts.

CONAMO hatte nun vorgesehen, dass diese Majoretten am Abend des 1. August vor dem Fußballfinale des Coupe de l’Indépendance im Stadion Charles de Gaulle auftreten sollten. Dem Präsidenten aber missfiel dies, und er gab über seinen Generalsekretär zu verstehen, man solle die Majoretten in die Parade integrieren. So kämen die geladenen Staatsgäste, von denen viele bereits nach der mittäglichen Parade wieder abreisten, auch in den Genuss der Vorstellung der Majoretten. Dem entgegnete der an der Versammlung teilnehmende Majoretten-Verantwortliche, dass die Parade ein gänzlich ungeeigneter Ort sei für ihre Choreographie. Es gäbe nicht ausreichend Platz, die Inszenierung verlöre ihre Strahlkraft, und TV-Aufnahmen seien auch nicht möglich.

Die Diskussionen nahmen kein Ende, drehten sich im Kreis, bis schließlich Kodjo konstatierte: "C'est la décision du Président de la République!" - das ist die Entscheidung des Präsidenten der Republik. Ein Machtwort war gesprochen. Das macht deutlich, dass die Regierung als Hauptgeldgeber entscheidenden Einfluss auf die Vorbereitungen des Cinquantenaire nimmt, die von CONAMO koordiniert und von den verschiedenen Ministerien und dem Bürgermeisteramt von Porto Novo ausgeführt werden.

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 01.09.2010
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