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In der Alliance Française - Teil II: Der französische Nationalfeiertag in Madagaskar: Viel Party und wenig Patriotismus

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Eintrag vom 14. Juli 2010
Céline Molter

 

Die Alliance Française beherbergte in den vergangenen Wochen nicht nur die spannende Ausstellung "50 ans de l'Indépendance", sondern war auch der Ort der Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli. Wie feiert nun die ehemalige Kolonialmacht sich selbst in Madagaskar, in einem Jahr, das ganz der Feier ihres Verschwindens gewidmet ist? Die Antwort: mit einer großen Party.

Auf unser Nachfragen hin erklärte man, dass die französisch-madagassischen Beziehungen, auf die man sehr stolz sei, in diesem besonderen Feierjahr auch einer besonderen Wertschätzung bedürften. Zu diesem Anlass hatte man internationale DJs und den madagassischen Popsänger Jerry Marcoss eingeladen. Schon während der Ausstellung am Vortag war die große Eingangshalle der Alliance Française von eifriger Betriebsamkeit erfüllt: Stühle und Tische wurden gerückt, Boxen und Scheinwerfer installiert und jeder Winkel mit den schon vom 26. Juni bekannten Lampions behängt. Am Abend des 14. Juli winkten den einigen hundert Besuchern dann schon von weitem Banner der französischen und madagassischen Flagge entgegen. Gekommen waren hauptsächlich "Vazaha" - Franzosen und andere Europäer sowie wohlhabende Madagassen. Dem einfachen Volk war der Eintritt nicht zuletzt aufgrund des Ticketpreises von 5.000 Ariary, umgerechnet etwa 2-3 Euro, verwehrt. Dementsprechend umwehte den Abend eine Aura der Exklusivität. Jerry Marcoss, zu dessen Musik – eine Mischung aus traditionellen Songs und Techno-Sound − gerade die ganze Insel tanzt, Menschen jeden Alters und auf dem Land wie in der Stadt, durfte als Anheizer die Stimmung in Gang bringen. Eine Stunde lang konnte die Zuschauerschar feiern und tanzen, bevor der französische Botschafter Jean-Marc Châtaigner die Bühne betrat, um in einer langen Rede von den französisch-madagassischen Beziehungen zu künden. Man mag es als Planungsfehler werten oder als Indiz für das vorherrschende Desinteresse an Reden oder an den franko-madagassischen Beziehungen, aber das warmgetanzte Publikum machte sich schnell davon und begab sich auf die Suche nach Bruschetten und mehr Musik. So blieb der edukative Teil des Fests einem kleinen Häuflein Interessierter vorbehalten, während es den Großteil der Besucher zu den internationalen DJs in die Aula der Alliance zog − ein Verhalten, das dem am Unabhängigkeitstag nicht unähnlich war. Insgesamt fehlte der Feier, von der Rede und den Flaggen beider Länder abgesehen, jeglicher Patriotismus in die eine oder andere Richtung. Stattdessen schien der französische Nationalfeiertag dieses Jahr einfach eine Party noch größeren Ausmaßes als in anderen Jahren zu sein.

Das Fest wurde denn auch in den Zeitungen kaum erwähnt. Was dagegen Furore machte, war das Bankett, das der französische Botschafter in seiner Residenz am Mittag des 14. Juli für geladene Gäste abhielt. Châtaigner nutzte die Anwesenheit hochrangiger Persönlichkeiten wie die des Premierministers Albert Camille Vital zu einer schonungslosen Rede über den Stand der Nation und den Weg aus der Krise. Schon seine Einleitung war verheißungsvoll, als er sich im Voraus für verletzende oder ungeschickte Worte entschuldigte, zu denen er sich unwillentlich hinreißen lassen könnte:"J'ai dit que je souhaitais me faire pardonner par avance des paroles maladroites ou blessantes que je serais, malgré moi, amené à prononcer." Neben scharfer Kritik an der Undurchsichtigkeit der momentanen Regierungsführung und der Unfähigkeit der 3 oppositionellen Bewegungen, einen gemeinsamen Dialog zu führen, forderte er möglichst bald freie Wahlen und – zum allgemeinen Erstaunen – die Auflösung der Force d'intervention spéciale (FIS). Diese hätten, so seine Begründung, gegen die Menschenrechte verstoßen: "Cette dernière s'est en effet rendue coupable de graves manquements, je peux en temoigner, aux droits humains." Bei der FIS handelt es sich um eine berühmt-berüchtigte Spezialeinheit des Militärs, die vom Übergangspräsidenten Rajoelina gegründet wurde und diesem angeblich direkt untersteht. Die Kritik an der Handlungsweise des Regierungsoberhaupts, das im Übrigen ebenso wie ein Großteil der Opposition bei der Feier nicht zugegen war, wurde mit diplomatischer Zurückhaltung aufgenommen. Der Premierminister reagierte auf die Vorwürfe mit der Erklärung, es habe Gründe für die Gründung der FIS gegeben und die, die die Gründung veranlasst hätten, würden die Gründe kennen: "Il y a des motifs à l'origine de la création de la FIS. Ceux qui l’ont mis en place les connaissaient."

Mokierte man sich im Anschluss noch über die Tatsache, dass ausgerechnet ein "Vazaha" die politischen Missstände im Lande aufdeckt, so waren die Rede und der 14. Juli wenige Tage später jedoch schnell wieder vergessen. Und so wird die Liste derjenigen, die in den Zeitungen den besten und einzig möglichen Weg aus der Krise verkünden, immer länger, ohne dass sich bisher viel geändert hätte.

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 07.11.2010
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